Ein Leben mit Tausenden von Schallplatten, Tracks und DJ-Sets: Jacqueline und Riley Reinhold, Foto: privat

Ein traumhaftes Jubiläum

Techno aus Köln, der in die weite Welt hinauswill: Jacqueline und Riley Reinhold feiern das 25. Jubiläum ihres Labels »Traum«

Als Traum Schallplatten 1998 ­gegründet wurde, war die hiesige elektronische Musikszene noch jung, ermöglichte aber in den Nischen abseits vom Love-Parade-Mayday-Ausverkauf ein veritables Label auf die Beine zu stellen. Die Labelmacher:innen gingen noch viel freier an die Produktionen ­heran, da es einen neugierigen Markt gab und weder Künstler:­innen noch Labels große Hektik verspürten. Man musste nicht ­sofort zu Erfolg kommen.

Folglich sollten Jacqueline und Riley Reinhold, die beiden Köpfe hinter Traum Schallplatten, ihr kleines Universum aufbauen können, Experimente wagen, Sub-Labels ins Leben rufen und Musiker:innen wie Thomas Brinkmann, Natur-Techno-Virtuose ­Dominik Eulberg, Gabriel Ananda oder Kate Simko um sich ver­sammeln. Das wurde ihnen von der Szene gedankt — weltweit. ­Zusammen mit Kompakt wurde Traum zu dem, was man später als »Sound of Cologne« adelte. Das wurde sogar offiziell ausgezeichnet: Für Dominik Eulbergs »Heimische Gefilde« gab es 2007 den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Wir fragen zum ­Jubiläum nach Geschichte und Geschichten.

Jacqueline, Riley, erinnert ihr euch noch, wie die Idee vom Familienprojekt »Label« aufgekommen ist und wann sie Form angenommen hat?

Jacqueline: Wir waren damals für DJ-Auftritte in Buenos Aires, bei denen man uns mit Begeisterung begegnete. Wir fühlten uns enorm wohl, so haben wir den Mut gefasst, selber ein Label zu machen, um Musik Gleichgesinnter zu ­veröffentlichen.

Riley: Wir haben ganz schnell gesehen — auch durch den Erfolg im englischen Wire Magazin, wo unsere »Elektronische Musik aus Buenos Aires« in den Redaktions-Top-Ten neben Brian Eno landete —, dass wir irgendetwas richtig machen und die Leute berühren.

Hattet ihr einen einen Business-Plan?

Jacqueline: Es gab damals das Konzept, internationale Musik zu veröffentlichen, die durch den spezifischen Traum-Sound ihre Verbindung findet. Musik, die sich nicht auf Funktionalität und Pragmatismus beschränkt, sondern einfach Musik, die etwas mit ­einem macht, einen im Kopf bewegt, aber ebenso, und das ist wichtig, die Tänzer:innen ­antreibt.

Riley, du hast die Techno-Szene nicht nur als Label-Mitbetreiber geprägt, sondern ebenso als DJ — Triple R — und zunächst auch als Musikjournalist. Inwiefern haben diese Achsen deine Arbeit als Labelmacher beeinflusst?

Riley: Es gab damals bei der Spex keine Journalist:in, die sich wirklich mit Techno und der Revolution, die die elektronische Musik ­repräsentierte, beschäftigt hat. Es war für Sascha Kösch und mich ein Muss, uns dort zu bewerben. Wir konnten dann direkt loslegen. Später haben Sascha und ich für die Frontpage geschrieben. Darauf folgte mit einer Gruppe von Kölnern und Berlinern die Gründung der De:Bug. Im Grunde dreht sich bei mir alles immer um dasselbe: Musik hören, seinen Horizont ­erweitern, und zu pushen, was toll und innovativ ist. Das betrifft nicht nur die Rezension für die Zeitschriften, sondern auch die Tausenden von Schallplatten, die ich in meinem Leben gehört habe. Ob das meine Vorliebe für Bebop ist, oder Country, New Wave, das ist letztendlich völlig egal. Alles hilft bei der Auswahl der Demos für das Label.

Gab es damals Interessenskonflikte in der Zusammenarbeit mit Künstler:innen? Also dass du eine Kritik geschrieben hast und DJs angesäuert reagiert haben?

Riley: Mit Kritik können bekanntlich nicht alle gut umgehen. Wenn Kritik ins Schwarze trifft, dann kann es sein, dass sich Leute auch mal verletzt fühlen.

Wie nehmt ihr das Aussterben von explizit elektronischer Musik gewidmeter Presse wahr. Spürt ihr die Auswirkungen?

Jacqueline: Das spüren wir drastisch, vor allem durch Freund:innen, die keine Arbeit mehr haben und sich jetzt anders durchs Leben schlagen müssen. Wir sehen das auch in der Qualität von Rezensionen, die heute mitunter zu 100 Prozent vom Pressetext ­abgeschrieben werden.

Riley: Ein verlässliches Gütesiegel fehlt.

Wir sind nicht romantisch, letztendlich ist Techno eine Jugend­kultur, da kann man schon stark davon ­ausgehen, dass sich  das Publikum immer wieder erneuert
Jacqueline Reinhold

Der aktuelle Techno-Diskurs ­findet vor allem in den Sozialen Medien statt. Dort scheint es nicht ohne das permanente Ausstellen der eigenen Visagen zu gehen, ein Gestus, der sich doch massiv von jenem der 1990er Jahre unterscheidet, als ihr angefangen habt. Wie agiert ihr selbst in den Sozialen Medien?

Riley: Mit einer gesunden Portion Understatement und mit Sensibilität, manchmal aber auch mit ­einer Lawine von Videos. Wir sind dankbar für die Möglichkeit, weil Musikmagazine sich oft als Kunstobjekt sehen und vieles, was gut ist, gar nicht mehr in deren Konzept passt. Die Möglichkeit, sich öfter mal selbst zu zeigen, ist da wichtig. Heutzutage hat man natürlich Platz ohne Ende und kann in den sozialen Medien das machen, was die Magazine nicht machen. Das heißt, man kann sich dort abbilden.

Habt ihr das Gefühl, dass noch viele eurer Traum Schallplatten-Fans der ersten Stunde mit an Bord sind?

Jacqueline: Wir sind nicht romantisch, letztendlich ist Techno eine Jugendkultur, da kann man schon stark davon ausgehen, dass sich das Publikum immer wieder ­erneuert. Wir sehen, dass wir uns durch unsere Arbeit und die Auswahl der Musiker:innen immer wieder ein junges Publikum ­erspielen — das ist ein Zyklus.

Das DJing ist irgendwann bei Euch beiden weniger geworden, warum?

Riley: Ja, das stimmt. Ich habe ­früher viele eigene Veranstaltungen organisiert — Cosmic Orgasm mit Sascha Kösch, Lichtblick mit Michael Mayer und Tobias Thomas —, auf denen ich auch selbst gespielt habe. Auch für Traum und das Goethe Institut weltweit zu spielen, war und ist toll. In Clubs bin ich jedoch noch nie oft gebucht worden, da ich zu häufig angeeckt bin. Von Anfang an ­haben ­unsere Künstler:innen viel mehr aufgelegt als wir selbst. Es gibt Künstler:innen auf Traum, die spielen das ganze Jahr dreimal die Woche, weltweit.

Wovon träumen die Traum Labelmacher:innen nach 25 Jahren Labelarbeit noch?

Riley: Ein Label, das Traum heißt, muss natürlich Träume haben. Für uns bedeutet das, dass wir noch mal ein ganz großes Come Together vieler Traum-Künstler:innen erleben wollen, alle in Persona anwesend, mit dem Mannschaftsgeist, wie bei den 72-Stunden-Partys im Ehrenfelder Underground, kurz bevor wir das Label gestartet haben.