»Miniaturen aus dem Leben«: Die Großmutter von Lara Pietjou, © Analog

Bruchstücke des Ich

»Mein Vater war König David«: Das Analog Theater ­verarbeitet eine jüdische Familiengeschichte

Wie sehr die Familiengeschichte unsere Identität geprägt hat, verstehen wir oft erst im Erwachsenenalter. So mancher stellt dann fest, dass es Dinge gab, die damals unter den Teppich gekehrt wurden.

Lara Pietjou (42), Mitglied des Performancelabels Analog, fand im Nachlass ihres Vaters Zeugnisse über ihre jüdische Abstammung und die Zeit des Dritten Reichs. Darüber hinaus existiert ein Videointerview mit der Großmutter, die im Gegensatz zu ihrem Mann den Holocaust überlebte. Neben Identität und Familie geht es wie schon in der Produktion »Geister ungesehen«, für die Analog 2020 mit dem Kurt-Hackenberg-Preis für politisches Theater ausgezeichnet wurde, um transgenerationale Traumata. Pietjous Vater litt an einer bipolaren Störung und war in manischen Phasen überzeugt, König David zu sein.

»Wir arbeiten meistens mit biografischen Stoffen und haben große Erfahrung mit der Umsetzung«, erklärt Regisseur Daniel Schüßler die Schwerpunkte von Analog. »Unser Ziel ist es, zu einem Kern von Authentizität vorzudringen und diesen durch einen künstlerischen Transformationsprozess laufen zu lassen. Dadurch entsteht hoffentlich ­etwas, das größer ist als die ursprüngliche persönliche Geschichte, etwas, das uns alle als Gesellschaft betrifft. Dabei lautet unser Motto: So respektvoll wie möglich, so respektlos wie nötig. Mich interessieren Miniaturen aus dem Leben, die verdichtet für größere Metaphern stehen oder Dinge verdeutlichen.«

Die neue Produktion solle dabei auch eine Brücke in die Gegenwart schlagen. »Wir möchten von den Schrecken der Vergangenheit in eine Darstellung übergehen, die die Vielfalt in unserem Land widerspiegelt. Ein Zitat, das ich in dieser Form aus verschiedenen Mündern gehört habe, bringt es auf den Punkt: Wir wissen viel über jüdisches Sterben in Deutschland, aber wenig über jüdisches Leben.«

Das außergewöhnliche Rahmenprogramm umfasst eine vor den Vorführungen einsehbare Videoinstallation sowie gemeinsames Essen nach allen Vorstellungen mit eingeladenen Gesprächspartnern: Psychotherapeut Dr. med. Peter Pogany-Wnendt (7.9.), Musiker Yuriy Gurzhy (8.9.), Filmemacher Dani Levy (9.9.) und Nana Schewitz (10.9.), Dragqueen und Veranstalterin einer jüdischen Cabaret-Show.