Grüßt am Hauptbahnhof die Reisenden: Marion Anna Simon, Dr. Dormagen, Foto: © Christian Seiter

Das inklusive Kunstwerk

Marion Anna Simon, »Dr. Dormagen«, U-Bahn-Station Breslauer Platz

Selbst wer die U-Bahn-Station Breslauer Platz öfter nutzt, hat das elf Quadratmeter große Wandbild von Marion Anna Simon (*1972) vielleicht noch gar nicht entdeckt. Das mag daran liegen, dass die meisten von hier nur schnell zum Hauptbahnhof oder nach Hause kommen wollen. Dabei verdient der durch den Architekten Manfred Menzel 2011 erbaute, eindrucksvolle Haltestellenraum unbedingt Beachtung. Vom Zwischengeschoss, einer als Galerie angelegten Verteilerebene, kann man — wenn man nicht sofort weiter hastet — auf die Bahnsteige unten und auf die Wand mit dem Porträt »Dr. Dormagen« schauen. Näher betrachten lässt es sich von Gleis 3, wo die Züge zum Neumarkt abfahren.

Die in Köln lebende Malerin Marion Anna Simon war 2018 Dr.-Dormagen-Guffanti-Stipendiatin und arbeitete für ein halbes Jahr auf dem Gelände des Städtischen Behindertenzentrums in Longerich. Das Stipendium sieht vor, dass Künstlerin oder Künstler für die dort lebenden Menschen eine Teilhabemöglichkeit schaffen. ­Simon nahm die Büste des Arztes Dr. Hubert Dormagen (1806–1886) im Foyer der Stiftung als Ausgangspunkt, übertrug sie ins Zweidimensionale und teilte sie in 90 Felder auf. Nun ging es darum, die Bewohner:innen zu einem gemeinschaftlichen Kunstwerk zu motivieren. 26 machten mit und suchten sich ein Detail aus: ein Stück Auge, Nase, Wangenknochen, Mund, Hals, Haare oder einfach Haut. Dazu gestalteten sie ihr individuelles Bild, ohne die gewählte Vorlage aus dem Blick zu verlieren.

Herausgekommen ist ein kaleidoskopartiges, ausdrucksstarkes Bildnis. Dass trotz Transformation eine Ähnlichkeit mit der Büste geblieben ist, muss an der Anleitung und Bildfindung durch Marion Anna Simon liegen. Sie widmet sich seit vielen Jahren dem Porträt und Selbstporträt und beeindruckt in ihrer Arbeit durch Perfektion. Dabei ist ihr neben der Malerei auch die Performance ein wichtiges Medium, um das Wesen des Menschen künstlerisch zu erfassen.

Ihrem Wunsch und ihrer Beharrlichkeit entspringt auch die Anbringung der inklusiven Arbeit im öffentlichen Raum, für die viele Sponsoren überzeugt und gewonnen werden mussten. Das gemalte »Dr. Dormagen«-Porträt wurde auf Emailleplatten übertragen und Ende 2022 feierlich eingeweiht.