In Schwierigkeiten

Materialien zur Meinungsbildung

Die schlaue, ja, rettende und aus bitterer Erfahrung geborene Idee, sich zur Party von Gesine Stabroths »bester Freundin Tine« eigenes Bier in einer Kühlbox mitzubringen, weil Tine nicht fähig oder willens ist, diese wichtigen Getränke rechtzeitig im Kühlschrank zu lagern, stieß schon­ ­immer auf Kritik bei Gesine Stabroth: »Nicht Dein Ernst jetzt, oder? Voll übergriffig. Ja, bleib doch zu Hause, wenn du wieder motzig bist!« Aber nun hat sich etwas verändert. Nicht meine Idee, sondern Gesine Stabroth. Sie sagt jetzt: »Hm, find ich schwierig — ehrlich gesagt.«

Immer mehr findet Gesine Stabroth schwierig. Und seit mir diese Floskel, ehrlich gesagt, immer häufiger begegnet, glaube ich, es hat mit diesem ganzen Achtsamkeits- und Wertschätzungs-Jargon zu tun, der mich immer und zurecht misstrauisch macht. Die Formulierung, dass etwas »schwierig« sei, erscheint mir einerseits als ein Zeugnis großer Ermattung und Schlaffheit, aber andererseits wirkt sie auch zornig, gedämpft zwar, aber doch so, dass gerade diese Dämpfung ganz deutlich werden soll. Da ringt jemand um Beherrschung; und manchmal bloß, weil jemand ein kühles Bier einem lauwarmen vorzieht.

Dass etwas »schwierig« sei, das sagt man so wie ein Schulkind, das vor einer komplizierten mathematischen Aufgabe steht und das weniger darüber stöhnt, dass ihm die Lösung nicht einfallen will als darüber, dass es jemand überhaupt wagt, ihm solche Aufgaben zu stellen, es also geradezu in Schwierigkeiten zu bringen.

Interessanterweise wird bei »schwierig« die erste Silbe dann ebenso gedehnt wie beim modischen »okeeeh« die zweite Silbe. Die Dehnung soll beim einen Wort die Ablehnung und beim anderen die Zustimmung abschwächen. Aber es ist nur Maskerade, denn wer eine Idee »schwierig« findet, der lehnt sie rundweg ab, bloß möchte er keine Gründe dafür vorbringen müssen. Wir alle kennen noch Dialoge wie diesen: »Was für ein wunderschöner Biedermeier-Wandteppich, mir geht das Herz auf!« — »Findest Du das wirklich schön?« Ja, ja, dass man so nicht antwortet, sondern sagt: »Mich freut es, dass du solches Glück darüber zu empfinden vermagst, mir ist dies leider nicht vergönnt«, das hat man im Achtsamkeits-Workshop gelernt.

Heute würde man aber post-achtsam sagen: »Also Biedermeier-Wandteppiche finde ich schwierig«

Ja, liebe Güte, was ist denn nicht schwierig? Schimmel in der Dusche entfernen? Einen Eckball direkt ins Tor treten? Bemannte Raumfahrt? Alles extrem schwierig! Aber doch nicht ein Wandteppich! Der ist höchstens schwer, aber das sind Wassermelonen ja auch und niemand findet sie schwierig, sondern »total erfrischend«, obwohl sie furchtbar umständlich herzurichten sind und man nach dieser Speise nicht gesättigt, sondern völlig verklebt ist, und niemand weiß, ob man die Kerne runterschlucken kann und wenn ja, wie viele, und wohin sollen denn überhaupt anschließend all die dicken Schalen, die noch triefen vor geschmacksneutralem Glibbersaft, aber ich schweife ab.

Was bringt mich so auf die Palme? Es sind doch nur Worte. Also sage ich: »Relax, nix ist schwierig, alles easy! Hold on tight to your dream! Und wenn es nur eine Selbstverständlichkeit wie gekühltes Bier auf einer sterbenslangweiligen Party ist.« Nichts ist schwierig daran, sich eine Kühlbox auf die Party mitzubringen, selbst wenn man sie in den vierten Stock schleppen muss. Aber halt, nein, ich biete mich nicht noch an, anschließend Babsi und Achmed zu helfen, ein Dutzend Wassermelonen fürs Büfett hochzutragen, weil die so erfrischend sind. Das ist ja wohl nicht deren Ernst, oder?