»Wie geht es nun weiter?«: Nicht optimal gesicherte Jecken am Elften Elften. Foto: Dörthe Boxberg

»Dringender Handlungsbedarf«

Das Ordnungsamt hat mit einer Sicherheitsfirma geklüngelt und dadurch auch Menschen in Gefahr gebracht

Im Ordnungsamt herrscht ziemliche Unordnung. Aber das klingt noch viel zu harmlos. Ein interner Prüfbericht des städtischen Rechnungs­prüfungs­amts (RPA) attestiert der Behörde, über Jahre gegen gesetzliche und vertragliche Regelungen verstoßen zu haben. Das 57-seitige Dokument, das der Stadtrevue vorliegt, untersucht den Zeitraum von Januar 2018 bis Februar 2023. Ergebnis: Es besteht »dringender Handlungs­bedarf«.

So habe die vom Amt beauftragte Sicherheits­firma vom Elften Elften 2018 bis zu den Karnevals­tagen dieses Jahres »nicht recht­zeitig ausreichend Einsatz­kräfte zur Verfügung gestellt« und noch am Tag selbst »Personen mit nicht ausreichender Prüfung beziehungs­weise ungeprüft eingesetzt«. Aufgedeckt wurde auch, dass die Firma bis zu 27 Sub­unter­nehmen beauftragte. Am 11. November 2021 verstießen davon 25 gegen Regelungen. Elf dieser Firmen waren dem Ordnungs­amt noch nicht einmal bekannt.

Dieses System gefährdet nicht nur die Sicherheit, sondern verschleiert auch, dass Arbeitssklaven eingesetzt werden Jörg Detjen, Vorsitzender des ­Rechnungsprüfungsausschusses

Es gab zudem immer wieder unverständliche Preis­erhöhungen, die das Amt dem Dienst­leister gewährte: mündlich, ohne Dokumentation. Mehrfach forderten Firmen mehr Geld, um die Bezahlung der Sicherheits­kräfte zu erhöhen. Dem kam das Ordnungsamt stets nach, und zahlte für den Straßenkarneval 2020 sogar eine Erhöhung von drei Euro pro Stunde statt der geforderten zwei Euro. »Die Erhöhung um einen weiteren Euro wurde nicht beantragt. Aus welchem Grund die Zahlung dennoch erfolgte, ist nicht nachvollziehbar«, so der Prüfbericht.

Wie sicher man sich im Ordnungsamt fühlte, diese dubiosen Praktiken beibehalten zu können, ist auch belegt: »Die erheblichen Versäumnisse hinsichtlich des vertrags- und gesetzes­konformen Einsatzes von Sicherheits­dienst­leistungen blieben auch nach Hinweis durch das RPA für den beauftragten Dienst­leister ohne Konsequenzen«, heißt es.

Ob es Korruption gab, bleibt offen. Am 25. September (nach Redaktions­schluss dieser Ausgabe) sollte sich Stadt­direktorin Andrea Blome, in deren Zuständigkeit das Ordnungs­amt fällt, in einer nicht-öffent­lichen Sonder­sitzung des Rechnungs­prüfungs­aus­schusses erklären. Allerdings war bis 2020 der heutige Düsseldorfer OB Stephan Keller (CDU) ihr Vorgänger. Es wurden schon Stimmen laut, Keller zur Sondersitzung zu laden.

Stadtdirektorin Blome hat bereits eine Arbeits­gruppe mit der Aufarbeitung beauftragt. Auch würden »Sanktions­möglich­keiten gegen den Dienst­leister« geprüft. Ein zuständiger Abteilungs­leiter des Ordnungs­amts soll unter­dessen beurlaubt worden sein. Darauf bezieht sich auch ein für manche in der Politik irritierendes Statement der IG Kölner Gastro: Einer »der mit Abstand besten Mitarbeiter der Stadt« werde zum Sünden­bock gemacht, heißt es, und ohne ihn »wäre diese Stadt überhaupt nicht mehr in der Lage irgendetwas auf die Kette zu kriegen.« Das Statement legt stattdessen einen Rücktritt Blomes nahe, was auch schon in einigen Fraktionen diskutiert worden sein soll.

Jörg Detjen (Linke), Vorsitzender des Rechnungs­prüfungs­ausschusses, hält davon nichts. »Was ich feststellen kann, ist Intransparenz, völlige Übe­rforderung im Amt sowie keine ordentliche Verwaltung von Steuer­geldern«, sagt er und sieht ein Problem im System, das durch die Suche nach schuldigen Personen aus dem Blick geraten könne. »Zum System gehört, dass der erste Dienst­leister selbst kaum Personal hat und dessen erster Sub­unter­nehmer auch nur einen geringen Anteil an Personal bringt. Der Rest kommt von all den weiteren, dahinter geschalteten Sub­unter­nehmen«, so Detjen. »Dieses System, das bundesweit existiert, muss zerschlagen werden. Es gefährdet nicht nur die Sicherheit, sondern verschleiert auch, dass Arbeits­sklaven zu billigen Löhnen eingesetzt werden.«

Dass die Zahlungen des Ordnungs­amts für höhere Stunden­löhne tatsächlich bei den Arbeits­kräften ankamen, bezweifeln schon manche Politiker. Der Bericht stellt zudem fest, dass es bei 90 Prozent der Kräfte zu Arbeits­zeit­über­schreitungen kam. »Wie geht es nun weiter?«, sagt Jörg Detjen. »In wenigen Wochen ist der Elfte im Elften, dann kommt Silvester und dann steht bald schon die Fußball-EM an.«

Dass die Stadt am Elften Elften mit einem anderen Dienstleister die Sicherheit organisieren kann, ist unwahrscheinlich. Dass die Sicher­heit der Jecken ausreichend garantiert werden kann, nun auch. Das Thema wird die Stadt länger beschäftigen; weitere Prüf­berichte des RPA zu Sicher­heits­dienst­leistungen sind angekündigt.