70 Hektar Artenvielfalt: Die mögliche Eingrenzung eines Nationalparks

Schutzbedürftig

NRW soll einen zweiten Nationalpark bekommen. Ein Kandidat ist die Südliche Heideterrasse

Vor knapp 20 Jahren wurde in der Eifel der bislang einzige Nationalpark in Nordrhein-Westfalen eingerichtet. Bald soll ein zweiter folgen. Das haben CDU und Grüne in ihrem Koalitions­vertrag fest­gehalten. Anfang September startete die Landes­regierung ein Beteiligungs­verfahren. Politik, Verbände oder Anwohner können Vor­­schläge für geeignete Gebiete machen. Bis Anfang 2024 soll der »Interessen­bekundungs­prozess« laufen, erst im Anschluss können sich Kreise und Regionen formal bewerben.

Man wolle Natur­schätze Nordrhein-Westfalens »für die nächsten Generationen erhalten und für die Menschen erlebbar machen«, sagte Umwelt­minister Oliver ­Krischer (Grüne) zum Start der Beteiligung. In National­parks wird Landschaft größten­teils ihrer ­natürlichen Dynamik überlassen und von Angeboten der Umwelt­bildung begleitet. Zudem sei das Label ein Wirtschafts­faktor, betonte NRWs stell­vertretende Minister­präsidentin Mona Neubaur von den Grünen: Der National­park Eifel habe gezeigt, dass »eine ganze Region wirt­schaftlich profitieren kann«, und sei »Vorbild für erfolg­reichen Natur­tourismus«.

Ein Kandidat für den zweiten National­park des Landes wird aus Köln kommen: die »Südliche Heide­terrasse«. Das Gebiet erstreckt sich von Königs­forst und Wahner Heide im Norden bis nach Lohmar, Troisdorf und Siegburg im Süden — und liegt in Teilen auf Kölner Stadt­gebiet. Holger Sticht kennt die Heide­terrasse wie wenige. Der Landes­vorsitzende des BUND steht dem Verein »Bündnis Heide­terrasse« vor. Dennoch spricht sich Sticht nicht uneingeschränkt dafür aus, dass das 70 Hektar große Gebiet National­park werden soll. »In meiner Brust schlagen zwei Herzen«, sagt Sticht. Einerseits brauche man für die Südliche Heide­terrasse Ressourcen für besseres Natur­management. Anderer­seits sei das Gebiet nur bedingt geeignet. »Wenn man die Kriterien für einen National­park abprüft, muss man feststellen, dass die Heide­terrasse sie nicht komplett erfüllt.«

Zwar handelt es sich — wie im Bundes­natur­schutz­gesetz gefordert — um ein großräumiges Gebiet, das größten­teils durch andere Naturschutz-Kategorien gesichert ist. Die Wahner Heide gilt gar als arten­reichstes Natur­schutz­gebiet in NRW. Doch zwei Kriterien erfüllt die Südliche Heide­terrasse nicht: Sie ist weder unzerschnitten noch vom Menschen unbeeinflusst. »Der Flughafen ist durch die ständigen Lärm-, Licht- und Schadstoff-Emissionen das größte Hindernis. Das zweitgrößte ist die A3«, sagt Sticht. Das werde sich zeitnah auch nicht ändern. »Ich wäre sofort dabei, den Flughafen dicht zu machen. Aber man wird dafür keine politische Mehrheit bekommen.« Eine weitere Schwierig­keit: Die Heide­terrasse hat verschiedene Eigen­tümer, u.a. die Bundes­wehr und die DBU Naturerbe GmbH, mit unter­schied­lichen Interessen. In Summe sind andere Gebiete in einer besseren Situation: Etwa die »Egge« in Ost-Westfalen, der Favorit vieler Umwelt­verbände, erfüllt die fachliche Eignung — und ist komplett in Besitz des Landes.

Dennoch macht sich Holger Sticht dafür stark, die Südliche Heide­terrasse ins Rennen zu schicken. »Das ist eine gute Gelegen­heit, aufzuzeigen, dass dort einiges im Argen liegt.« Das Gebiet sei teilweise in keinem guten Erhaltungs­zustand, so Sticht. Zudem enden 2030 die Kom­pensations­maß­nahmen des Flug­hafens in der Wahner Heide. Sticht bemängelt, dass es für die Südliche Heide­terrasse keine zentrale Natur­schutz-Stelle gebe. »Wir brauchen eine gemeinsame Steuerung, wie es sie in einem National­park gibt.« Er nimmt das Land in die Pflicht, dort liege die Vera­nt­wortung für den Natur­schutz.

»Es wird am Ende nicht allein um die fachliche Eignung gehen, sondern auch darum, wo es den besten Zusammen­halt für ein solches Projekt gibt«, glaubt Sticht. Das Beteiligungs­verfahren diene auch dazu, Wider­stände vor Ort auszumachen. »Es könnte auch ein Gebiet dabei heraus­kommen, das gar nicht perfekt geeignet ist«, glaubt Natur­schützer Holger Sticht. Ein Gebiet wie die Südliche Heideterrasse.