Bereit für neue Kundschaft: Le Moissonnier an der Krefelder Straße im Agnesviertel. Foto: Susanne Troll

»Es ist menschlicher geworden«

Vincent Moissonnier über sein neues Bistro, die Abkehr von der Sterneküche und fehlende Handschrift in der Gastronomie

Herr Moissonnier, im März schloss Ihr Zwei-Sterne-Restaurant »Le Moissonnier« überraschend. Nun eröffnen Sie wieder — als Bistro.

Ich erfülle mir einen lang gehegten Traum: Ich werde Kneipier in meiner Weinbar!

Was reizt Sie daran?

Ich liebe Kneipen. Du gehst hinein, und wenn du wieder herauskommst, bist du ein anderer Mensch. Dazwischen hast du am Tresen gesessen mit einem Straßenbauer und einem Akademiker. Das macht etwas mit dir.

Auch in Ihrem Sterne-Restaurant saßen Gäste nah beisammen und sind schnell miteinander ins Gespräch gekommen.

Das stimmt. Aber die Haltung der Gäste und des Wirtes ist in einem Sterne-Restaurant anders als in einem Bistro oder einer Kneipe. Jetzt kommen außerdem Leute zu uns, die sich das früher nicht leisten konnten. Die Stimmung ist entspannt und niemand sucht nach Fehlern. Es ist mensch­licher geworden. Ich habe die Möglichkeit, näher am Gast zu sein. Die Veränderung tut mir gut.

Ich liebe Kneipen. Du gehst hinein, und wenn du wieder herauskommst, bist du ein anderer Mensch Vincent Moissonnier

Sie haben gesagt, dass Sie ausgebrannt waren. Wann haben Sie entschieden, etwas im Restaurant ändern zu müssen?

Vor drei Jahren. Da habe ich meine Frau eingeweiht. Eric Menchon, unser Chef de ­Cuisine, weiß es seit einem Jahr. Er hat geschluckt. Ich bin mir sicher, dass ich ihm seelisch wehgetan habe. Aber er hat es ver­standen und akzeptiert.

Eric Menchon hätte sofort eine neue Stelle in einem Spitzen­restaurant gefunden. Er ist geblieben. Warum?

Eric ist jemand, der sehr emotional ist. Ein sensibler, kreativer Kopf. Ich weiß nicht, ob er es sich angetan hätte, irgendwo neu anzufangen. Wir haben in unserem Beruf viel erlebt. Es kann böse werden, wenn es irgendwo nicht so läuft, wie der Geldgeber sich das vorstellt.

Die Öffnungszeiten sind kürzer, und Sie haben keine Ambitionen mehr auf einen Stern. Hat sich damit etwas an Ihrer Personal­situation geändert?

Gut ein Drittel der Mannschaft ist gegangen.

Ist das auch eine Folge der herausfordernden Personalsituation in der Gastronomie?

Wir haben alle mit Personalmangel zu tun. Es ist eine Katastrophe. Und die haben wir selbst geschaffen. Wir haben alle Angestellten geknechtet. Es wird Generationen brauchen, bis sich das normalisiert hat.

Auch in der Küche gibt es Veränderungen.

Die Auswahl wird nicht mehr so groß sein und die Zutaten werden nicht edler. Es gibt Austern, Meeresfrüchte und auch französische Kneipen­klassiker. Dazu jeden Tag eine Plat du Jour, die in einer Cocotte serviert wird. Ein Gericht für alle. Aber ich kenne mich, und ich kenne Eric. Wir werden immer tüfteln. Es ist möglich, dass es irgendwann ein kleines Gericht von Eric auf der Karte gibt. Kalbsbries, Taube … Natürlich mit seiner Handschrift. Denn die fehlt mir oft in der Gas­tronomie. Überall wird gleich an­­gerichtet und gleich überwürzt. Aber geben Sie uns etwas Zeit, bis wir unseren Weg gefunden haben. Irgendwann können meine Frau Liliane und ich uns etwas zurückziehen.

Sie sagen, die Produkte werden nicht edler. Was ist mit der Produktqualität?

Die wird sogar ein bisschen besser. Vielleicht sieht unser neues Konzept nach wenig aus. Aber es war viel Arbeit. Wir haben jetzt zum Beispiel einen direkten Zugang zu Meeresfrüchten und Fisch aus dem Atlantik. Die Zutaten werden uns frisch aus Paris geliefert, ohne Zwischenhändler.

Wie steht es um den Wein? Auch dafür ist Ihr Restaurant berühmt.

Wir bleiben bei unseren 50 offenen Weinen. Auch an der Auswahl wird sich nichts ändern.

Zu Beginn war die Qualität Ihrer Weine fast ein Alleinstellungsmerkmal in Köln. Heute machen immer mehr ambitionierte Weinbars auf.

Es ist großartig zu sehen, wie der Wein immer mehr in den Vordergrund geht. Das hat sicher auch mit der Qualität deutscher Weine zu tun.

Nach fast 40 Jahren haben Sie ­wieder freie Abende. Macht Ihnen das auch Angst?

Nein. Der große Vorteil ist, dass ich sehr spontan bin. Und sehr emotional. Ich freue mich darauf, abends mit meiner Frau zu Hause zu sein und für sie zu kochen. 

Le Moissonnier

Krefelder Straße 25, Agnesviertel
lemoissonnier.de