Unten bleiben!

Köln träumt weiter Seilbahnträume — eine verkehrspolitische Ausflucht

 

Die Verkehrswende ist in Köln dermaßen behäbig, dass jeder neue Radstreifen auf der Fahrbahn eine Sensation ist. Zwar fahren längst mehr Menschen in Köln Rad, aber trotzdem nimmt auch der Autoverkehr weiter zu. Was tun? Wenn verkehrspolitisch alle Stricke reißen, dann üben in Köln abseitig klingende Ideen eine besondere Faszination aus. Da waren zunächst 2015 die Wasserbusse auf dem Rhein, die die SPD vorschlug und die offenbar in einer bürokratischen Endlosschleife gestrandet sind. Derart inspiriert folgte 2019 die Seilbahn-Idee der Ratsgruppe GUT. Ursprünglich sollte dieses »Rheinpendel« vom Fühlinger See im Norden bis ins Rodenkirchener Gewerbegebiet im Süden gondeln, mit zwanzig Stationen rechts und links des Rheins. ­Nach einer Machbarkeitsstudie sind viele zur Besinnung gekommen: Die Rede ist nun bloß noch von sechs Stationen, vom Zoo in Riehl bis zum Deutzer Hafen. Ob eine Stadt, die Jahre braucht, um Aufzüge in U-Bahnstationen nachzurüsten oder auch bloß Rolltreppen intakt zu ­halten, ein neues Seil­bahn­system ­bauen, betreiben und instand halten könnte — wer würde darauf wetten?

Über der Begeisterung für das vermeintlich Visionäre kommt aber nicht nur der Rea­litätssinn abhanden, sondern auch jedes ästhetische Empfinden — wie das »Rheinpendel« das Stadtbild verhunzen würde, zumal am Rhein, interessiert in einer Stadt, die zugemüllt ist mit gestalterischem Laissez-faire, schon längst keinen mehr.

Und so ist nach Beschluss im Verkehrsausschuss das »Rheinpendel« nun weiterhin Teil des Kölner Mobilitätsplans »Sustainable Urban Mobility Plan« (SUMP), der »die künftigen Mobilitätsangebote für die Stadt Köln für den Zeithorizont 2035« beschreiben soll. Das Rheinpendel könnte so ein »Mobilitätsangebot« sein. Wirklich visionär sind aber gar nicht »Mobilitätsangebote« und Seilbahnen über der Stadt, sondern Ideen, wie das Ausmaß der Mobilität sinken könnte. Wo sind die Chancen der Digitalisierung, um Pendlerströme zu verringern? Wo ist die »Stadt der kurzen Wege«? Und wo bleibt die Einsicht, Kultur und Events nicht immer in der Innenstadt zu konzentrieren, sondern stattdessen die Veedel für die ­Menschen, die dort wohnen, auch in deren Freizeit attraktiv zu machen? Aber sicher sehen all diese Versäumnisse von oben, aus einer Gondel betrachtet, weniger elend aus.

Bernd Wilberg ist Redakteur der Stadtrevue. Seine Höhenangst würde er bei einem Seilbahnsystem ­vielleicht überwinden können, seine Zweifel am ­verkehrspolitischen Sinn wohl kaum