»Kein Verständnis für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung«: Hallen Kalk vor ungewisser Zukunft

Knall nicht gehört

Nach dem Debakel um die Hallen Kalk gerät ­Ober­bürgermeisterin Henriette Reker unter Druck

»Manchmal braucht es einen Knall, damit alle wach werden«, sagt Niklas Kienitz (CDU). Der Knall, das war der Ausstieg der »Montag Stiftung Urbane Räume« aus dem Projekt Hallen Kalk. Auf dem früheren KHD-Areal an der Dillenburger Straße soll ein Quartier entstehen mit Platz für bürgerschaftliches Engagement, Werkstätten, Ateliers, Gastronomie, initiiert und getragen von der Zivilgesellschaft. Die Montag-Stiftung sollte als Erbpachtnehmer, Projektentwickler und Betreiber eine entscheidende Rolle spielen. Nach deren Rückzug droht das Projekt zu scheitern.

Für ein solches Projekt sei maximale Verlässlichkeit, ein abgesteckter Handlungsrahmen und ein striktes Zeitmanagement unabdingbar, so die Stiftung. »Dieses sehen wir auf Seiten der Stadt Köln nicht mehr gegeben.« Daraufhin meldeten sich Initiativen zu Wort, die sich um die Entwicklung weiterer alter Industrieflächen bemühen, etwa das Otto-und-Langen-Quartier in Mülheim oder das Fort X im Agnesviertel. Sie beklagten, in der Verwaltung führten fehlende Projektsteuerung und Zusammenarbeit der Ämter dazu, dass Gespräche verweigert oder Vereinbarungen über Nacht geändert würden. Besonders negativ sei das Liegenschaftsamt aufgefallen, dort ist die Leitung vakant. »Offenbar fehlt in Teilen das Verständnis für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung«, so Michael Weisenstein (Linke). »Man war lange darauf spezialisiert, Liegenschaften an Investoren zu verhökern.«

Der Knall war so laut, dass der Rat sich in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema beschäftigte und auch OB Henriette Reker unter Druck setzte. Christiane Martin (Grüne) sprach von einem »Alarmsignal«. Niklas Kienitz kritisierte, dass die Stadt die selbst gesteckten Ziele zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung verfehle. »Was die OB selbst in ihrem Vorwort zur Stadtstrategie 2030 gefordert hat, gelingt nicht«. In der Verwaltung brauche es »ein anderes Mindset«, eine übergreifende Zusammenarbeit, so Kienitz.

Reker bezeichnete hingegen die Erwartungen der Initiativen als »vollkommen unrealistisch«. Einige würden es verstehen, »Aufmerksamkeit zu erzeugen«, teils mit »ideologischen Wünschen«, aber nicht jeder gute Wille sei Grund für Zuwendungen. Rekers Rede ließ nicht nur die Initiativen irritiert zurück. Michael Weisen­stein sagt, man könne Reker auch so verstehen, dass sie »die Akteure spalten will: in diejenigen, die wertvolle ehrenamtliche Arbeit machen und nicht viel darüber reden, und die, die sich gut artikulieren und die Hand aufhalten.«

In einem Brief erläuterte die OB später, ihr Beitrag habe sich an die Ratsmitglieder gewandt, mit der Bitte »in Zeiten der Rezession die Balance zwischen Wünschenswertem und Machbaren« einzuhalten. Zu oft sei zu viel versprochen und zu wenig gehalten worden.

Dem würde wohl sogar die Montag-Stiftung zustimmen. »Es wäre in Köln sinnvoll, innezuhalten und grundsätzliche Fragen zu debattieren: Welche Rolle soll zivilgesellschaftliche Aktivität in der Stadtentwicklung spielen, welchen Erwartungshorizont kann man haben?«, so Vorstand Stefan Anspach. »Was sind Möglichkeiten und Grenzen ehrenamtlichen Engagements? Man muss das miteinander besprechen, damit Stadt und zivilgesellschaftliche Akteure überhaupt in einer strukturierten Form zusammenkommen können.« Auch Kienitz hält eine Debatte über die Rahmenbedingungen für sinnvoll. Man werde sich im Bündnis mit Grünen und Volt austauschen. Einen Grundsatz­beschluss wird es aber wohl nicht geben. Was genau anders werden soll, sagten die Politiker nicht. Die ­Aktuelle Stunde endete mit dem Beschluss: wird zur weiteren Bearbeitung an die Verwaltung verwiesen.