Expressiv und durchdacht: Fabian Dudek

Unterwegs zur Gegenwart

Der Kölner Saxofonist Fabian Dudek schreibt aufregende Musik ohne Effekthascherei und aufgesetzte Attitüde. Ein Treffen

Es ist einer der letzten, heißen Augustnachmittage, an dem wir uns im Biergarten vom Stadtgarten zum Gespräch treffen. Kurz zuvor hat Fabian Dudek zwei Konzerte auf der Cologne Jazzweek gespielt. Zunächst spielte der junge Altsaxofonist im Konzertsaal vom Stadtgarten die Premiere seines Stücks »An Empty Room, Then Smiling« mit der eigens dafür zusammengestellten Band Dudek Carnival. Dann wurde er am Tag darauf mit dem »Horst und Gretl Will Stipendium Jazz/Improvisierte Musik« der Stadt Köln ausgezeichnet.

Auch für diesen Anlass hatte Dudek eine nagelneue Komposition, »Day by Day«, im Gepäck, die er mit einem Doppel-Trio mit Kirke Karja und Felix Hauptmann (beide Piano, E-Piano und Synthesizer), David Helm und Roger Kintopf (beide E-Bass) und Leif Berger und Alexander Parzhuber (beide Schlagzeug) plus ihm am Altsaxofon aufgeführt hat. Kannte man Dudek von seinen früheren Bands und Projekten, war man vielleicht im ersten Moment überrascht, wie rockig er das Soundsetting für diese zwei Premieren angelegt hat. Doch ist genau das eine hervorstechende Eigenschaft dieses Saxofonisten, der 1995 im südhessischen Groß-Gerau geboren wurde und in Rüsselsheim aufwuchs: sich weder ästhetisch noch stilistisch festlegen zu lassen, stets neue Wege im Ausdruck auszuprobieren und die Herausforderung zu suchen.

Kurz nach unserem Interview hat sich Dudek auf den Weg nach New York gemacht — mit Unterstützung des Exzellenz-Förderprogramms des Landes NRW, »NICA artist development«, dessen Stipendiat Dudek seit vergangenem Jahr ist. Es ist das erste Mal, dass er an die US-amerikanischen Ostküste reist. Klar, wir sprechen auch darüber, ob diese oft als Jazz-Mekka beschriebene Metropole überhaupt noch eine Referenz für ihn als Saxofonisten aus Deutschland ist. »Natürlich habe ich irgendwann darüber nachgedacht, für längere Zeit nach New York zu gehen«, sagt er, »aber es gab tausend Gründe, warum ich es nicht getan habe. Zum einen war da die Corona-Pandemie, die das Reisen unmöglich gemacht hat, zum anderen aber auch die Ära Trump. Jazz ist ein wichtiger Teil der amerikanischen Kultur. Und wenn es um richtigen Jazz geht, ist es etwas ganz anderes, in New York unterwegs zu sein als in Berlin oder Köln.«

Anlass für unser Treffen ist seine neue Platte: »Protecting A Picture That’s Fading« hat Dudek mit einem deutsch-französischen Sextett eingespielt, das den Namen La Campagne trägt. Mit dabei sind neben ihm vier Musiker seiner Generation — der Trompeter Berthold Brauer, der Pianist und Synthesizer-Spieler Felix Hauptmann, der Bassist Roger Kintopf und der Schlagzeuger Alex Parzhuber —, zudem die französische Flötistin Pauline Turillo. Ursprünglich war es Brauers Band, mit der der Trompeter sein Examenskonzert spielen wollte. Weil Dudek dann aber das Gros der Musik komponierte, wurde es dessen Projekt. Seine Feuertaufe hatte das Sextett vor dreieinhalb Jahren, als man in Turillos Heimatstadt Grasse in Südfrankreich auf einem einwöchigen Festival spielte – und zwar nicht nur in regulären Konzertsälen, sondern vor allem auf den Straßen und Plätzen dieser Stadt nördlich von Cannes.

»Während des Festivals haben wir auf dem Anwesen von Paulines Eltern übernachtet«, erinnert sich Dudek. »Dort gibt es ein Gebäude, das heißt La Campagne. Als wir auf der Suche nach einem Bandnamen waren, schlug Berthold irgendwann vor, dass wir uns doch danach nennen sollen. Ich fand den Namen sofort gut, weil er für uns auch einen sozialen Aspekt hat und wir als Band von nun an immer wieder an diesen Ort zurückdenken, wenn wir unseren Namen hören. Seitdem treffen wir uns einmal im Jahr dort, um gemeinsam zu proben. Grasse und der Name La Campagne sind uns also in guter Erinnerung.«

Das mit Trompete und Flöte plus Altsaxofon und Rhythmusgruppe nicht alltäglich besetzte Sextett hat Dudek dazu inspiriert, sieben recht lange Stücke für die Doppel-CD zu schreiben, die allesamt seine Handschrift als Komponist einer eigenwilligen Musik an der Schnittstelle von Improvisation, Neuer Musik und Avantgarde tragen. Gleichzeitig haben die sechs Musiker die Zeit während der Corona-Jahre genutzt, um Dudeks nicht leicht zu spielende Musik intensiv und ausgiebig einzustudieren. Das hat ihnen einen flexiblen und im höchsten Maße freien Umgang mit dem Material eingebracht und lässt sie auf einem hohen kreativen Level improvisieren. Ein rhythmisches Pattern kann dabei zum Impuls für den Flow der Improvisation werden, ebenso wie eine kurze melodisch-thematische Phrase oder ein die Musik strukturierender Formverlauf.

Eine wichtige Konstante ist bei La Campagne Dudeks enge Freundschaft mit Felix Hauptmann, den er 2014 zwei Wochen vor Beginn seines Saxofonstudiums an der Hochschule für Musik und Tanz Köln kennengelernt hat. »Wir wohnen mittlerweile eine Etage auseinander im gleichen Haus in Köln«, erzählt Dudek: »Felix ist für mich eine große Inspiration. Überhaupt erst im ständigen Austausch mit ihm habe ich meine musikalische Sprache entwickeln können. Ihm kann ich jederzeit neue Ideen vorstellen, ihn kann ich immer fragen, wenn ich neue Sachen ausprobieren will. Und für mich gibt es nur wenige, die so fantastisch Klavier spielen wie Felix.«

Aller Komplexität zum Trotz behält Dudeks Musik einen eingängigen und verständlichen Duktus: »Um ein Stück interessant und spannend klingen zu lassen, muss man beim Schreiben oftmals simpel bleiben. Nimm einen vertrackten Groove und setz eine schlichte Melodie in C-Dur drüber: Plötzlich haben alle großen Spaß daran — wir Musiker*innen, aber auch das Publikum.«

Diese Haltung hat es Dudek überhaupt erst ermöglicht, für die akustisch nicht einfache Kombination zu komponieren. Dass Flötistin Turillo eine klassisch ausgebildete Musikerin ist, ist dabei auch eine große Hilfe gewesen, wie Dudek betont: »Nachdem ich wusste, wie Pauline auf ihrem Instrument klingt, konnte ich die Sachen komponieren, die mir für Querflöte vorschwebten. Und das Arbeiten mit Pauline als klassische Musikerin war für mich insofern lehrreich, weil wir viel über Artikulation, Phrasing und Dynamik gesprochen haben. Anfangs hat Pauline noch gar nicht improvisiert, wir näherten uns dann Schritt für Schritt an. Jetzt, nachdem sie begonnen hat zu improvisieren, haben wir mit ihr eine neue und vitale Stimme in der Band.«  

Aktuelle Veröffentlichung: Fabian Dudek / La Campagne, »Protecting
A Picture That’s Fading« (Traumton/Indigo), erscheint am 6.10.