Immer noch hellwach: Heiner Kruse

Lass uns gemeinsam Brücken bauen

Heiner Kruse aka The Green Man ist der kölsche Drum&Bass-Pionier schlechthin. Im Interview blickt er auf die 25 Jahre seiner »Basswerk«-Vision zurück

 

Wie lief so eine Labelgründung 1998 genau ab? Was wusstest Du schon vorher und was ergab sich on the fly?

Erst mal ging es vor allem darum, eine gute Platte fertig zu machen — alles andere sollte sich von selbst ergeben. So war es dann auch. Ich hatte bereits eine erste Platte auf unserem Junglegrowers Label veröffentlicht, dann kamen Demos von anderen Künstlern, ich lernte Thilo Goldschmitz kennen. Auch Cheetah und Kingz waren hochmotiviert, und so hatte ich das Gefühl, dass wir Tracks veröffentlichen können, die es wert sind und die man so noch nicht gehört hat. Wir hatten das Gefühl, es bewegt sich zu wenig vor Ort. Wir wollten musikalisch vielseitiger und persönlich offener sein.

Interessanterweise hatten wir in der letzten Ausgabe ein Feature zu einem anderen 25-jährigen Kölner Jubiläum:  Es ging um Jacqueline und Riley Reinholds Traum Schallplatten. Waren die Komplexe »Techno/House« und »Breakbeat/Drum’n’Bass/Garage/Jungle« sich damals näher als heute?

Das sind schon immer Parallelwelten gewesen, trotzdem aber mit vielen Ähnlichkeiten. Im D&B gibt es heute mehr kommerzielle Formate, ganz harte, aber auch  ganz glatt gebügelte Subgenres. Das Zitieren der immer gleichen alten Hits, was mir früher bei House missfiel, erleiden wir nun auch. Aber es gibt hüben wie drüben Idealismus für elektronische Musik abseits vom Kommerz mit Leidenschaft, Offenheit und Begeisterung für neue Wege.

Warum gibt es so wenig Kontakt zwischen den Szenen?

Die Leute bewegen sich in ihren eigenen Szenen. Außerhalb davon kommen sie leider kaum in Kontakt, ohne dass ich das genau begründen kann. Aber wenn man mit offenen Leuten, wie etwa Gregor Schwellenbach, zusammenkommt, ist alles möglich. Zudem haben Institutionen wie das Kulturamt immer wieder Events oder Veröffentlichungen ermöglicht, bei denen die Szenen die Kölner Elektronikmusikkultur gemeinsam repräsentieren durften.

Gefühlt ist D&B nach 2005 aus dem Fokus des Mainstreams ­verschwunden. Wo man früher durchaus auf eine Party abseits des »Four To The Floor«-Milieu stolperte, wurden die Orte für gepflegten Austausch über vornehmlich britische Spielarten weniger, oder?

Es war irgendwann nicht mehr möglich, monatlich Partys mit Gästen aus England auf die Beine zu stellen. Die Tendenz ging zu weniger, dafür größeren und sehr gut besuchten Basswerk-Events. D&B in Deutschland ist kleiner als anderswo auf der Welt, nur ab und zu schwappt von dort etwas herüber. Es gibt hier keine Lobby wie in England.

War Basswerk durch seine Heimat auf der Schääl Sick etwas randständiger? Hätte sich das Label anders entwickelt, wenn du mehr auf der linken Rheinseite verbracht hättest?

Mülheim hat etwas Subversives, und gerade entsteht dort wieder etwas — mit Modularfield und dem Mülheim Modular Shop, da steuere ich gern etwas bei. Nebenbei: Ich wohnte bei der Gründung im Belgischen Viertel, ich hab den Vibe genossen und der hat sicher auch unseren Sound  beeinflusst, aber Hilfe kam dann erst mal aus England, Hamburg oder Waltrop.

Mit Gourski und Philo gibt es gleich zwei namhafte neue DJs und Produzent*innen, die für ordentlich Wirbel sorgen.  Beide sind auch auf dem Sampler zum Labelgeburtstag zu hören. Was war die Idee bei der Compilation?

Ich wollte Brücken bauen — zwischen den Generationen, zwischen Köln und dem Rest der Welt und zwischen musikalischen Welten. Wenn etwa die junge Sängerin Vavunettha mit tamilischen Wurzeln mit Jaycut oder James Hardway aka David Harrow aus LA und mir zusammenkommt, ist das in diesem Sinne. Ähnlich ist es bei anderen Tracks wie »Licht« mit türkischem Gesang und Freee Will, der ein Schüler von mir war. Auch die Generation »dazwischen« mit Jaycut, Jonathan Baker, Mad Vibes oder Freeze ist vertreten, oder UK-Künstler wie Aquasky, Digital, Peter Bouncer, Navigator und David Boomah. Durch Laura, Thorsten Quaeschning von Tangerine Dream oder Skarra Mucci wurde das Spektrum nochmal offener. Am Ende kam mir das Album wie eine Weltreise vor, der nur noch Ostasien fehlte, und so habe ich als letztes einen Track mit Koto und Martial-Arts-Vibes beigesteuert.

Gerade befinden wir uns in einem Revival, so scheint es. Woher kommt die neue Lust an den Basswerk-Spielarten?

Gourski und Philo habe ich beide als Personen kennengelernt, die soundmäßig Grenzen durchbrechen wollten. Der Sound entwickelt sich ständig und bringt neue Künstler hervor. Die Lust, wieder mehr mit Breakbeats zu arbeiten, manifestiert sich im Jungle-Revival, aber auch bei Footwork.

Hat das auch mit einer Öffnung der Szenen zu tun?

Es gibt immer mehr Spielarten und Subgenres. Das heißt aber nicht immer, dass sie offen sind, ich finde fast, es gibt eher mehr Style-Puristen als früher. Ich mag es, wenn bei Basswerk auch mal Footwork oder andere Subgenres laufen. Ich sehe generell eine »Spaltungstendenz« in der Gesellschaft, man will uns aufteilen, dann kann man uns streiten lassen, regieren (Prinzip Divide & Conquer) und als Zielgruppen besser definieren. Das gefällt mir nicht. Viele junge DJs sehen sich als »Marke« und wollen abliefern, was von ihnen erwartet wird. Ich denke eher: We all are one, vergesst nicht den Respekt für andere.

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Basswerk
Basswerk wurde 1997 in Köln von Heiner Kruse aka The Green Man/TGM und Laszlo Milasovszky aka Cheetah gegründet. Kruse zeichnet sich seitdem als Triebfeder hinter dem Basswerk-Universum aus Drum & Bass, Jungle, Garage und anderen Spielarten aus. Obwohl die ersten Platten bereits 1997 erscheinen sollten, feiert man erst dieses Jahr mit der Compilation »25 Years Basswerk Sessions« das Jubiläum gebührend. Hier arbeitet Labelkopf The Green Man mit alten und neuen Bekannten — dabei sind 21 spannende Tracks entstanden, die nicht (nur) die Vergangenheit feiern, sondern in die Zukunft weisen.