Stützen der Gesellschaft: Unsere Autoren Venker (links) und Fleischmann

Thomas Venker und Lars Fleischmann

Kölner Clubmenschen erzählen was sie gerade begeistert

Thomas: Schweren Herzens beenden wir  an dieser Stelle das Abenteuer »Clubland«. Es war eine besondere Zeit, nicht zuletzt, da wir das Ressort inmitten einer Pandemie übernommen haben. Es war eine Zeit, in der ich Lars besonderes Talent, sich auf ungewöhnliche Situationen und Konstellationen einzulassen, sehr zu schätzen gelernt habe. Sowohl in seinen eigenen Skills als DJ (früher), vor allem aber als Musikjournalist zeichnet ihn eine große Neugierde für das noch nicht Gehörte und Gesehene aus. Wiederholungen langweilen ihn ebenso wie schlichter Durchschnitt, sein Herz schlägt schneller für avantgardistisch-experimentelle Klangentwürfe.

Lars: Meinungsverschiedenheiten sind in der Welt von Thomas nicht das Ende, sondern der Anfang des Diskurses. Das gefällt mir auch nach Jahren der Freundschaft und der Zusammenarbeit: Für Thomas ist Diskutieren immer Wissensgewinn und Progression. Unfassbar, aber wahr: Wir waren seit der Übernahme des Clublands kein einziges Mal zusammen feiern — unsere Diskussionen und Gespräche fanden bei Ramen und Tee im Sonnenlicht statt. Was dieser Workship viel besser zu Gesicht stand als eine Party, die in Arbeit ausgeartet wäre. Ich bin mir sicher, die Tanznacht holen wir jetzt nach.

1 Philipp Otterbach, »The Dahlem Diaries« (Music From Memory)

Philipp Otterbachs erste LP auf R.i.O. war 2020 leider etwas zu radikal und zu düster ausgefallen. Vielleicht war Corona Schuld. Was damals indes zu krachig und experimentell war, findet in »The Dahlem Diaries« eine elegante Ausgewogenheit zwischen avantgardistisch-aufregenden Soundsphären und einer ordentlichen Portion Pop-Willen. Klingt manchmal wie Can, wie Mazzy Star, wie Proto-Grunge und wie dichte Nächte im Salon des Amateurs.

2 Russell E.L. Butler, »Call Me G« (T4T LUV NRG)

Wie der feingeistige Couturier aus P.T. Andersons »Phantom Tread« hat der Brooklyner DJ und Produzent Russell E.L. Butler einen perfekt sitzenden Anzug aus bestem Garn genäht. Dabei darf man die Parole seines Vorgängeralbums »Emotional Bangers Only« durchaus als Blaupause für diese Scheibe nehmen: Als hätte er die Quintessenz des Dancefloors inhaliert — treibende Beats vermählt mit nostalgischen Synth-Hooks —, klingt hier alles betrübt und doch so befreiend und offen.

3 Kopy / Dopeness, »i say / Khaotic Love«

Ich verbrachte einen Großteil des verregneten deutschen Sommers in Japan, wo es dann kaum regnete und ultraheiß war. Dementsprechend gut besucht waren die mit amtlichen Klimaanlagen ausgestatteten Clubs. Im WWW in Shibuya entdeckte ich so Dopeness, dessen Raps mich von der ersten Sekunde an magisch anzogen. Wunderbar unverkrampft bezieht er sich auch auf diesem Split-Release mit der großartigen Kopy, die man durch ihre Veröffentlichungen auf dem Düsseldorfer Tal Label kennen sollte, auf us-amerikanischen HipHop und bricht ihn japanisch-elegant.

4 Xiao Yun, »Purple Garden« (EM Records)

Das in Osaka beheimatete EM Records Label gilt als Trüffelschwein-Institution. Neben seinem aktiven Künstler:innen-Stamm, zu dem auch bereits erwähnter Kopy gehört, ist es auch für seine Reissues bekannt. »Purple Garden« setzt diesen erstklassigen Lauf fort, ursprünglich Mitte der 90er Jahre produziert und auf HMD veröffentlicht, haben die Mandarin-Pop-Produktioen von Henry Kawahara nichts von ihrer Anziehungskraft verloren, was neben dem glasklaren Sound vor allem an der magischen Stimme von Xiao Yun Wu liegt.

5 Barnt, »Connecting The Dots« (Mix für Kompakt)

Daniel Ansorge aka Barnt hat bei seinem Spaziergang durch 25 Jahre Geschichte des Kompakt-Labels alte Perlen, große Hits und versteckte Tools gefunden und jenseits großer Gesten zusammengeführt. Das Ergebnis fühlt sich an, wie die ersten Nächte der Total-Confusion-Partys, wie euphorische Spaziergänge im Morgengrauen, wie die nicht enden-wollende ­Jugend des (Minimal-) Technos.