Jedes Cover ist ein eigenes Kunstwerk: Kunstforum International, Foto: Lars Fleischmann

Cuteness und Heimat

Die Zeitschrift Kunstforum feiert 50. Jubiläum in Köln

Kunstmagazinen haftet zumeist der Makel der Kurzlebigkeit an. Als Produkte ihrer Zeit bieten sie zwar einen Blick in den Moment, nur selten vermögen sie es, sich über die unmittelbare Lektüre hinaus zu retten. Das Kunstforum International ist eine dieser seltenen Ausnahmen, die langfristige Relevanz beansprucht — und das schon seit 50 Jahren.

Seit ihrer Gründung 1973 durch Dieter Bechtloff dient die heute älteste deutsche Kunstzeitschrift im kompakten Taschenbuchformat Interessierten wie Insidern als fundiertes Nachschlagewerk und Informationsquelle. »Die aktuelle Zeitschrift für alle Bereiche der bildenden Kunst« — wie es im Impressum früher hieß — verfügt mittlerweile über eine der größten Datenbanken im Bereich der zeitgenössischen Kunst mit einem Archiv aus 291 digitalisierten Bänden, mehr als 200.000 Bildern und 30.000 Texten. Durch Campuslizenzen an Universitäten wird es von Studierenden als wissenschaftliches Recherchetool genutzt.

Geboren wurde das Kunstforum International aus dem persönlichen Antrieb von Dieter Bechtloff. Damals, Anfang der 1970er Jahre in Frankfurt, standen die Uhren auf Zeitenwende: Politische Umwälzungen, die die Nachrichten dominierten, trafen auf neue Kunstformen wie Fluxus, Pop, Land- und Concept Art. Es war aber auch eine Ära, in der Bechtloff zufolge der »Informationsstand lausig [war] und ein internationaler Blick fehlte«. In enger Anbindung an Künstler*innen, die Grafik-Auflagen beitrugen, und Galerist*innen, die Anzeigen schalteten, rief der Autodidakt ein neues Medium ins Leben: »Ich stand vor diesem Abenteuer wie Ferdinand Porsche, der, weil er kein Auto fand, das ihm gefiel, sich sein eigenes ­baute.«

Von vornherein war das Kunstforum als Autorenmagazin und inhaltlich breit gefächertes Informationsmedium konzipiert. Die Autor*innen, Weggefährten von Bechtloff, haben beratend eingewirkt und die Zeitschrift maßgeblich mitgestaltet, etwa die Themen für die Titelgeschichten vorgeschlagen — eine Praxis, die bis heute anhält. Das Titelthema bildet den Schwerpunkt des Heftes, der sich auf etwa der Hälfte des gesamten Umfangs von etwa 300 Seiten ausbreitet. Die Pluralität der Stimmen einzufangen, war stets wichtig: unterschiedlichste individuelle Perspektiven, die das jeweilige Thema in einen gesellschaft­lichen Kontext einbetten. Das Kunstforum hat einen enzyklopädischen Anspruch. Heute umfasst der ständige Autor*innen-Stamm über achtzig Personen. Legendär sind Ausgaben wie etwa der Band »150 Jahre Fotografie« (1976), der maßgeblich von Klaus Honnef verfasst, dazu beitrug, die Fotografie als gleichberechtigte Kunstform in den Kunstbetrieb einzuführen.

Ich stand vor diesem Abenteuer wie Ferdinand Porsche, der, weil er kein Auto fand, das ihm gefiel, sich sein eigenes ­baute
Dieter Bechtloff

Als reine Abonnementzeitschrift konnte das Kunstforum Marktkrisen standhalten und inhaltliche Unabhängigkeit bewahren. Verbindungen der Kunst zu Mode, Sport, Essen, Architektur, Naturwissenschaften, Philosophie und Literatur wurden erschlossen und führten zu gattungsübergreifenden Ansätzen, die neue Impulse in die Kunstdebatten einführten und den diskursiven Rahmen erweiterten. Den Leser*innen bietet sich die Möglichkeit, in sieben jährlich erscheinenden Ausgaben auch jenseits der eigenen Neigungen Neues kennenzulernen. Im bunten Wechsel erschienen in jüngerer Vergangenheit Bände zu progressiven Diskursen wie »Post-Vandalismus«, »Cuteness«, »Mixed Realities«, aber zuletzt auch »Heimat«.

Nach 40 Jahren als Herausgeber und geistiges Oberhaupt trat Bechtloff 2014 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Es war nie seine Sache, öffentlich aufzutreten, stets zog er die Redaktionsarbeit Podiumsdiskussionen vor.

So wie er unerkannt über die Art Cologne laufen konnte, blieb sein Rückzug fast unbemerkt. 2016 erfolgte das optische Relaunch des Magazins, das seitdem von der Agentur Meiré und Meiré grafisch gestaltet wird. Bis Ende 2022 blieb das Magazin in Familienhand, nach seinem Ausscheiden hatte Bechtloffs Frau Andrea die redaktionelle Leitung übernommen. Seitdem ist nun die promovierte Kunsthistorikerin und langjährige Kunstforum-Autorin Ann-Katrin Günzel in dieser Position — mit neuer Redaktionsanschrift im Belgischen Viertel in Köln. Die Zeichen stehen auf ein »Weiter so« — aufgefrischt, aber in altbewährter Kontinuität und Qualität.