Leseluchs statt Bücherwurm: Wolfgang Frömberg

Jenseits des Betriebs

Die Lesereihe »Literatur zur Zeit« feiert 15. Geburtstag

In jeder Ausgabe der Lesereihe »Literatur zur Zeit« gibt es eine kurze Unterbrechung. Die Bedienung im »King Georg« im Agnesviertel bringt einen Drink, den die Autor:innen sich vorher ausgesucht haben. Dann werden sie auf der Bühne zu ihrer Getränkeauswahl befragt. Dahinter kann sich eine lange Geschichte verbergen bis zu einem kurzen Statement, dass man gerade halt nur Wasser trinkt.

Es ist nur eines der vielen ­Details, die »Literatur zur Zeit« unverwechselbar machen. Seit fünfzehn Jahren gibt es die Lesereihe schon: Heimat war damals schon das King Georg, eine ehemalige Rotlichtbar, die mittlerweile ein Jazzclub ist. »Die Lesungen sind Teil des Clubprogramms«, sagt Wolfgang Frömberg, der die Reihe organisiert. »Es legt ein DJ auf, man kann nach der Lesung noch lange an der Bar sitzen und sich über das Buch unterhalten — oft auch mit den Autor:innen.«

2008 hat Frömberg die Reihe mit Peter Scheiffele ins Leben gerufen. Die beiden wollten einen Ort schaffen, an dem Popkultur, Literatur und Politik sich nicht ausschließen, sondern ergänzen. »Es war uns wichtig, das nicht im luftleeren Raum stattfinden zu lassen«, sagt Frömberg. Und so wurde das King Georg zu einem Ort, wo der französische Autor Tristan Garcia seinen Roman über die Pariser Intellektuellenszene der 80er Jahre vorstellen und die thüringische Politikerin Katharina König den NSU-Komplex analysie­ren konnte. Auch für Konzerte und Podiumsdiskussionen war Raum — Hauptsache mehr als nur Literatur­betrieb. »Der Tod von ­Peter Scheiffe­le 2015 war ein großer Einschnitt«, sagt Wolfgang Frömberg. »Aber ich mache die Reihe in seinem Sinne weiter.«

Das lange Geburtstagswochenende im Oktober veranschaulicht, was »Literatur zur Zeit« ausmacht. Am Donnerstag liest die britisch-ber­linerische Autorin Jacinta Nandi aus ihrem feministischen Alleinerziehenden-Essay »50 Ways to leave your Ehemann«, für den sie im Sommer dieses Jahres vollkommen unverdient nicht den Bachmann-Preis gewonnen hat. Am Freitag seziert Ex-Intro-Redak­­teur Linus Volkmann die Geschlech­terrollen und Beziehungsmuster alter Bravo-Ausgaben. Und am Samstag gibt es ein Konzert mit der Kölner Band Komplizen der Spielregeln, die ihren Art-School-Rock mit Stream-of-Consciousness-Lyrics präsentieren. An diesem Abend hat auch Wolfgang Frömberg einen Auftritt: als DJ hinter den Plattentellern. Mit Vinyl, selbstverständlich.