Kate Charlesworth »United Queerdom«

Ein Buchtipp der Stadtrevue

Im Teneriffa-Urlaub mit den queeren Friends werden Erinnerungen wach: Wie lebte es sich im England der 1950er Jahre als (weiße, cis-) Lesbe? Wie konnte man bei ausschließlich schwulen Vorbildern überhaupt wissen, dass man lesbisch war? Und wie erkannte man sich untereinander? In »United Queerdom« erzählt die Autorin ihre eigene Geschichte — und verwebt sie gekonnt mit Info-Collagen aus Zeitungsartikeln und Porträt-Schnipseln. Queere Pop-Referenzen und Codes waren überlebenswichtig: Wer kennt heute noch die Geheimsprache »Polari«, die Queers benutzten, wenn Zivi-Cops in der Nähe waren? Und wer weiß, dass Alan Turing nicht nur den Enigma-Code der Nazis geknackt hat, sondern als schwuler Mann zwangsweise einer »medikamentösen Kastration« unterzogen wurde? Der Mathematiker biss später in einen vergifteten Apfel, um sein Leben zu beenden. Die krasse Repression, von der queere Biografien geprägt waren, ist Albtraum-Material, dabei liegt sie nicht einmal ein Menschen­leben zurück. Wie schnell sich gesellschaftliche Werte verändern können, wird deutlich, wenn wir älteren Queers zuhören. Diese Graphic Memoir bietet dazu Gelegenheit.

Aus dem Englischen von Hanna Reininger. Carlsen, 160 S., 32 Euro
Die Rezension ist zuerst im Missy Magazin erschienen