Noch unversiegelt: Acker in Rondorf-Nordwest. Foto: Susanne Troll / Stadtrevue

»Die machen einfach weiter«

In Rondorf entsteht ein Quartier mit 1300 Wohnungen. Ist das mit dem Klimaschutz vereinbar?

In Köln fehlen Wohnungen, und die Stadt Köln scheitert regel­mäßig daran, neue zu schaffen. Da kommen Pläne für große Quartiere immer recht. Eines dieser Quartiere ist Rondorf-Nordwest im Bezirk Rodenkirchen. Die Äcker südlich der Autobahn A4, westlich der A555, gehören seit 2015 zum städtischen Wohnungsbauprogramm.

Als Mitte 2016 die Stadt Köln weitere Gebiete für dringend benötigte Wohnungen ermittelte, war der Aufschrei groß, weil deutlich wurde, wie viele Grünflächen als mögliches Bauland in Betracht gezogen werden, darunter Frischluftschneisen. Grün erhalten und trotzdem Wohnungen bauen — geht beides? Weiten Teilen von Verwaltung und Politik fehlt dafür die Vorstellungskraft.

Nach Kreuzfeld im Norden, wo auf 80 Hektar ein neuer Stadtteil entsteht, ist Rondorf-Nordwest mit 68 Hektar, der Fläche von 95 Fußballfeldern, das zweitgrößte Planungsgebiet. 1300 Wohnungen für 3000 Menschen, dazu Kitas und Schulen, will der Investor errichten. Zudem ist eine neue Haupt­straße für den zunehmenden Verkehr geplant, außerdem eine Verlängerung der KVB, sogar einen See will man verlegen.

Der BUND will all das verhindern, aus Gründen des Klimaschutzes. Helmut Röscheisen vom Kölner Vorstand steht mit seiner Kollegin, der Meteoro­login Maria von Schönermark, auf einem Park­platz im Rondorfer Ortskern. Autos rasen über die angrenzende Kapellenstraße, es wird immer wieder sehr laut. Die beiden BUND-Mitglieder haben Mühe, mit ihren Erläute­rungen durchzudringen — es ist symbolträchtig.

Der Parkplatz steht für das, was dem BUND als Lösung der Wohnungs­misere vorschwebt — ohne den Klima- und Umweltschutz hintanzustellen: Gebaut werden sollte nur auf bereits versiegelten Flächen, sagt Röscheisen: »So wie hier, auf einem Parkplatz.« Außerdem müssten viel mehr Wohnungen im Bestand geschaffen werden. Röscheisen gibt zu, dass das aufwändiger sei und länger dauere, als einen Investor für ein großes Gebiet zu finden. »Aber es muss angesichts des Klimanotstands, den der Rat der Stadt 2019 offiziell bestätigt hat, endlich ein Umdenken in der Stadt­ver­waltung stattfinden. Es geht so nicht weiter.«

Schon jetzt werde es im Sommer immer heißer in der Innenstadt, sagt Meteorologin Maria von Schönermark. Unbebaute Flächen seien erforder­lich, damit kühle Luft aus der Eifel, von der Ahr und aus dem Siebengebirge nach Köln strömen könne. Das sei im Linksrheinischen noch in Chorweiler nachweisbar. »Diese Winde sind schwach, aber kalt. Es besteht die Gefahr, dass bebaute Flächen sie abbremsen.« Ein Klima­gut­achten, laut dem die Bebauung in Rondorf unbedenklich ist, sei unseriös. Um den Rheintalwind im Modell nach­weisen zu können, sei eine Eingangs­größe doppelt so hoch wie der Standardwert angesetzt worden. »Dadurch wurde im Modell die Kaltluftschicht sehr hoch und mächtig — und überströmte auch Hindernisse«, sagt von Schönermark.

Gegen ein klima- und umweltpolitisch zweifel­haftes Projekt am Stadtrand regt sich der Widerstand nicht so schnell

Ohnehin heißt es in einer Mitteilung der Stadt Köln vom Januar an die politischen Gremien: »Der Bebauungsplan Rondorf Nord-West widerspricht in weiten Teilen den Festsetzungen des Landschaftsplanes.« Um das Projekt trotzdem durchzusetzen, änderte die Politik den Flächennutzungsplan und stellt einen neuen Bebauungsplan auf. Auf eine Prüfung von Alternativen zu dem Großprojekt wurde verzichtet. Auch das ist für Röscheisen ein Skandal und typisch für die Stadt Köln: »Die machen einfach weiter, wie gehabt.« Dabei sei eine Bebauung nur zulässig, wenn eine Alternative außerhalb des Grünzugs nicht möglich sei. Das sei aber nicht geprüft worden.

Abriss und Neubau der Zentralbibliothek habe der BUND mit anderen Initiativen verhindert. Auch beim Widerstand gegen Abriss und Neubau des Justizzentrums in Sülz ständen die Chancen gut, so Röscheisen. Umbau statt Abriss — das sei die Devise, um weiteren CO2-Ausstoß zu verhindern und bereits für den Bau der Gebäude aufgewandte Energie zu erhalten. Doch gegen ein klima- und umweltpolitisch zweifelhaftes Projekt am Stadtrand regt sich der Widerstand nicht so schnell.

Eine Frau kommt mit ihrem Hund am Acker vorbei. Was man im Ort von »Rondorf-Nordwest« halte? »Verhindern kann man das wohl nicht«, sagt sie. »Die meisten hier hoffen aber, dass es sich noch möglichst lange hinzieht.«

Anfang 2024 soll laut Stadt Köln die Erschließung des Gebiets beginnen.