Viel Lärm um einen schönen Abend: Kino im Generationenpark. Foto: Swetlana Vinnik

Eine unzumutbare Vorstellung

Das Projekt »Spätsommerkino« für Jugendliche in Volkhoven/Weiler führt zum Eklat mit ­rassistischen Untertönen. Wie konnte es dazu kommen?

Die Open-Air-Vorführung des Spät­sommerkinos im Generationenpark in Volkhoven/Weiler Anfang Sep­tem­ber beginnt mit ein paar Minuten Verzögerung. Zunächst ist es noch ein wenig zu hell, und es herrscht ein eher lockeres Hin und Her, etwa so wie im Multiplex während der Werbung vor einem Blockbuster. Das ändert sich mit dem Beginn des Screenings von »Liebe, D-Mark und Tod«. Im Kölner Norden hat sich zum Termin unter der Woche eine doch recht beachtliche Anzahl von Zuschauer*innen im improvisierten Freilicht­theater versammelt, die Cem Kayas Filmpreis-nominierten Dokumentarfilm über die türki­sch­sprachige Musikszene in Deutschland bis zum Ende konzentriert verfolgen werden. Es ist kurz nach 22 Uhr, als der Abspann läuft. Teile des Publikums haben in den vergangenen hundert Film­minuten einige neue Erkenntnisse über die Geschichte der Migration hierzulande gewonnen — von der ersten Generation der sogenannten Gast­­arbeiter in der BRD bis heute —, andere in den Aufnahmen aus den 1970er und 80er Jahren womöglich Szenen aus der eigenen Kindheit wieder erkannt.

»Liebe, D-Mark und Tod« ist ein intensives Film­erlebnis mit spannenden, persönlichen Erzählungen — und ein Zeugnis vom breiten Spektrum an kreativen Formen der Selbstermächtigung von Migrant*innen und Deutschen mit migrantischen Wurzeln in einer oft feindseligen Atmo­sphäre. Anlässlich des Kinostarts vor einem Jahr sagte Ko-Autor Mehmet Akif Büyükatalay in der Stadtrevue, der Film veranschauliche, dass »Diskriminierung nicht nur erfahren, sondern künstlerisch verarbeitet wurde.« Und Regisseur Kaya erklärt: »»Liebe, D-Mark und Tod« löst starke Gefühle aus. Ich frage bei den Filmgesprächen immer, wer geweint hat, und es strecken so ziemlich alle den Finger hoch.«

Der Film hat auch beim Open-­Air-Screening in Volkhoven/Weiler sicher kaum jemanden kalt­gelassen. Ganz offensichtlich nicht mal jene, die am besagten Septem­berabend die meiste Zeit über mit dem Rücken zur Leinr­wand sitzen, während »Liebe, ­D-Mark und Tod« läuft. Nämlich Mitglieder des Vorstands des dortigen Bürgevereins Volkhoven/Weiler, die dem Film zuerst buchstäblich die kalte Schulter zeigen, wie der erste Vorsitzende im Nach­hinein der Stadtrevue frei ­heraus bestätigt, obwohl der Verein als Kooperations­partner des Events mit an Bord ist.

Das Spätsommerkino im Genera­tionenpark geht auf eine gemeinsame Initiative von LATIBUL — Theater- und Zirkuspädagogisches Zentrum Köln und Kölner Filmhaus zurück. Darin stecken Gelder aus dem »Zukunftsr­paket« des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Mittel, die für partizipative Projekte Jugend­licher gedacht sind. Im Zuge der Förderung mit LATIBUL als Träger entscheiden sich junge Dele­gierte aus mehreren Jugendeinrichtungen im »Zukunftsausschuss« für ein Open-Air-Kino-Projekt in Chorweiler. Die Kinder- und Jugendeinrichtung Die Villa des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM Köln) in Volkhoven steht nur wenige Minuten Fußweg vom dortigen Pariser Platz entfernt und unterhält eine Jugendfilmakademie zur fiktionalen Filmbildung. Die Zusammenarbeit liegt nahe. Für das Programm trifft das Filmhaus eine Vorauswahl, eine Jury aus Jugendlichen darf bei einer Sichtung in der Villa drei Filme aussuchen. Ihre Wahl fällt auf »Liebe, D-Mark und Tod«, »KÖY« und »Aftersun«. Außerdem stellt das Filmhaus Equipment und Personal für den Ablauf des Abends im Generationenpark. Zwecks dessen Nutzung wendet man sich an den Bürgerverein Volkhoven/Weiler, dieser genießt in einem Teil des Parks Hausrecht. Der Bürgerverein ist inhaltlich nicht in das Projekt involviert, und am Abend mit dem Verkauf der Getränke beschäftigt. Der Vorstand erledigt dies, wie gesagt, abgewandt vom Geschehen.

Der Bürgerverein Volkhoven/Weiler spricht von Lärm­beschwerden. Später stellt sich ­heraus, dass diese von der Ehefrau des zweiten Vor­sitzenden kommen

Im Verlauf der Vorführung von »Liebe, D-Mark und Tod« wandelt sich das Desinteresse der Vorstandsmitglieder in Besorgnis über Lautstärke und Inhalt des Films. Die anwesende Filmhaus-Mit­arbeiterin wird von Mitgliedern des Vorstands mit angeblichen ­Beschwerden aus dem angrenzenden Wohngebiet über Lärmbeläs­tigung konfrontiert. Die Leute störten sich auch daran, dass so viel Türkisch gesprochen werde, heißt es. Im Klartext: Wurden ­offen rassistische Vorbehalte geäußert? Der erste Vorsitzende des Bürgervereins Volkhoven/Weiler bejaht dies im Interview und zeigt sogar Verständnis für die Anwohner*innen, von denen »viele bei Ford und Currenta in der Frühschicht« arbeiteten. Wie schon am Abend selbst malt er ein Bedrohungsszenario an die Wand. Anwohner*innen hätten ihm unmissverständlich klargemacht: »Wenn ihr nicht Schluss macht, ziehen wir den Stecker.«

Tatsächlich schaut kurz vor Schluss das Ordnungsamt vorbei. Gegen 21.45 Uhr wird der Ton leiser gedreht. Sowas kommt einem aus dem Kölner Nachtleben allzu bekannt vor, wird aber von manchen der Open-Air-Besucher*innen, wie einem Vertreter des SKM Köln oder einer ehemals im Vorstand des Bürgervereins aktiven passionierten Ehrenamtlerin, schon als übertrieben empfunden. Dies sind ortskundige Leute, die den Abend wie eingangs geschildert wahrnehmen und als gelungen und anregend bezeichnen. Später stellt sich heraus, dass die Beamten nicht von anonymen Nachbar*innen, sondern von der Ehefrau eines amtierenden und Getränke ausschenkenden Vorstandsmitglieds gerufen worden sind. Dieser Umstand, den der ­erste Vorsitzende später der Stadtrevue gegenüber weder bestreitet noch problematisch findet, lässt an eine Provinzposse denken. Immerhin: Für das Lärmproblem scheint noch spätabends eine ­Lösung gefunden. Das Filmhaus-Team einigt sich mit dem Vorstand des Bürgervereins, Leinwand und Lautsprecher beim nächsten Film anders zu positionieren.

Am folgenden Tag sorgt der Vorstand des Bürgervereins dann dafür, dass das Spätsommerkino doch noch mit einem lauten Knall endet. Er informiert LATIBUL und Filmhaus über den Entschluss, die weiteren geplanten Open-Air-Vorführungen von »KÖY« und »Aftersun« am 6. und 7. September nicht im vom Bürgerverein gepachteten Teil des Generationenparks stattfinden zu lassen. Neben Drohungen habe es Anzeigen von Anwohner*innen gegeben. Die Polizei kann jedoch weder das Vorliegen irgendwelcher Anzeigen oder Beschwerden, noch das Auftauchen gewaltbereiter Anwohner*innen in der Nähe des Generationenparks bestätigen. Der Stadtrevue liegt zudem die Korrespondenz zwischen der Leitung des Filmhauses und dem ersten Vorsitzenden des Bürgervereins vor, aus der ersichtlich wird, dass dieser nicht zu einem vom Filmhaus vorgeschlagenen Gespräch bereit ist.

Das Filmhaus schickt eine Pressemitteilung heraus, die weite Kreise zieht und verständlicherweise für Empörung über das ­Vorgehen des Vorstands des Bürgerverein Volkhoven/Weiler sorgt. Darin heißt es, dieser habe die ­Kooperation kurzfristig aufgekündigt und als Grund »Sicherheits­bedenken« ins Feld geführt. Denn: »Der Film schüre Ressentiments gegenüber Deutschen.« Der erste Vorsitzende des Bürgervereins droht nun mit einer Strafanzeige wegen Falschbehauptungen. Im Gespräch mit der Stadtrevue gibt er jedoch die Sicherheitsbedenken und die Ressentiments als Gründe für das eigene Handeln an. Einen verabredeten Ortstermin im Generationenr­park lässt er ohne Vorankündigung platzen. Eine Woche später gibt er uns gegenüber zu Protokoll, ein Open-Air-Filmabend wie der mit »Liebe, ­D-Mark und Tod« sei Volkhoven/Weiler nicht zuzumuten. Für die Jugendlichen wären Blockbuster angemessener, er selbst habe nur das Equipment vor wütenden Anwohner*innen schützen wollen. Unklar bleibt weiter, wen er genau meint.

Die restlichen Vorführungen des Spätsommerkinos werden spontan in die Innenräume von Die Villa verlegt. Zumindest »After­sun« findet großen Anklang beim jugendlichen Publikum, und sorgt für einen versöhnlichen Abschluss des Projekts. Schwer zu sagen, ob die vorherige Sabotage der Reihe durch den Bürgerverein Volkhoven/Weiler strategischer oder fahr­lässiger Natur gewesen ist — oder einfach nur dumm, was letztlich auch gefährlich sein kann. Im Gespräch beklagt der erste Vorsitzende noch, dass die AfD nun auf den Generationenpark und das Umfeld aufmerksam geworden sei und sich beim Bürgerverein bereits über die Nutzung des Geländes erkundigt habe. Wen wundert’s! Ein deutsches Sprichwort besagt nun mal: Wie man in den Generationen­park, Verzeihung, Wald hineinruft, so schallt es heraus.

Vorführung & Konzert

Sa, 18.11.: »Liebe, D-Mark und Tod« plus Konzert der Microphone Mafia
Location: Die Villa und Simultanhalle, Volkhoven
Infos: filmhaus-koeln.de