Das Zuhause von »Rohkostveganern«: In Wurmkisten leben mehrere hundert Kompostwürmer, Foto: Marcel Hövelmann

Da ist der Wurm drin

»Wurmkisten« werden immer beliebter. Können sie auch die Verwertung von Bio-Abfällen in ganzen Städten verbessern?

An der »Sülzer Triangel« grünt es. Im Frühjahr ist auf der kleinen Fläche, eingefasst von Sülzgürtel, Euskirchener Straße und Mommsenstraße, ein Urban-Gardening-Projekt des Kölner Nachbarschafts-­Vereins Schmitzundkunzt angelaufen. Paten betreuen die zwei Dutzend Hochbeete, alle sind ­bewirtschaftet, die meisten gut gepflegt. An einem Sonntag Anfang Oktober kümmern sich einige Gärt­ner um die späte Ernte. Marcel Hövel­mann steuert eine grüne Regentonne an, die von einer Holzpalette bedeckt ist. »Die Sonne sollte besser nicht draufscheinen«, sagt er, als er die Abdeckung abnimmt. »Weil: Würmer gleich Wasser. Wenn es zu heiß wird, gehen die ein.«

Was Hövelmann zum Vorschein bringt, nennt er selbst ein »Outdoor-Experiment«: ein großer Wurmkomposter unter freiem Himmel. In dem Plastikbehälter zersetzen einige hundert Kompostwürmer Bio-Abfälle. Manches bringt Hövelmann von zuhause mit, anderes haben die Gärtner aus den umliegenden Beeten dazugegeben. Die kleinen, rötlichen Würmchen machen daraus Humus.

Würmer für effektiveres Kompostieren zu nutzen, ist keine neue Idee. Doch sie ist in den vergangenen Jahren wieder beliebter geworden. Vor allem weil man kleinere »Wurmkisten« auch für Bio-Abfälle in Innenräumen nutzen kann. Marcel Hövelmann, für die Wählergruppe GUT in der Lokalpolitik aktiv, ist ein Pionier in Sachen Wurmkompostierung. Vor mehr als zehn Jahren setzte er seine erste Wurmkiste an und war Mit­gründer der Initiative »Wilma in der Wurm­kiste«. »Wir haben anfangs viel experimentiert, weil es zu der Zeit noch nicht viel zu Wurmkisten gab«, erinnert er sich. Ihr Wissen gaben sie weiter — erst an Bekannte, später auch in Workshops.

Für unsere Kinder waren die Würmer wie Haustiere Marcel Hövelmann, Wählergruppe Gut

Wurmkisten für zuhause haben meist zwei Kammern, beliebt sind vertikale Bauten. Die Abfälle schmeißt man in die obere Kiste, wo die Würmer sie zersetzen. Die Flüssigkeiten, die Würmer und Kompost abgeben, fängt man in der unteren Kiste auf. Dieser sogenannte Wurmtee eignet sich als Dünger. Die Würmer wandern im Behälter langsam nach oben, in den unteren Schichten lassen sie Wurmkompost zurück. »Man erntet nicht endlos viel feinste Komposterde. Das Tagesgeschäft ist eher der Wurmtee«, sagt Hövelmann. Was Wurmkisten auch für den Haushalt einer Stadtwohnung interessant macht, ist, dass sie geruchsneutral sind, wenn man sie richtig nutzt. »Das Prinzip ist simpel: Die Würmer müssen genug Futter haben und es darf nichts Schimmliges in der Kiste sein«, erklärt Hövelmann. Schimmel sorge dafür, dass Kompost stinkt. Er rät deshalb davon ab, etwa Schalen von Zitrusfrüchten, die schnell schimmeln, in den Wurmkompost zu geben. »Der Rest ist Finetuning. Man darf auch mal einen Kaffeesatz reinschmeißen.«

Den Outdoor-Wurmkomposter in Sülz möchte Hövelmann künftig nutzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. »Daran kann man das Thema Kompost anschau­lich vermitteln«, sagt er. Gerade Kinder interessierten sich für Würmer — und hätten keine Berührungsängste. »Für unsere Kinder waren die Würmer wie Haustiere. Die bekam jeder Besucher erst mal gezeigt.«

Doch können die Komposter mehr sein als ein Hobby von Umweltbewegten? Die Wählergruppe GUT hatte im Umweltausschuss im Frühjahr angeregt, dass die Stadt Köln die Kölner besser über das Eigenkompostieren als »nachhaltigste und umweltschonendste Verwendungsmöglichkeit für Grün- und Bioabfälle« ­informiert. Auch Wurmkisten wurden explizit genannt. Doch man fand für den Vorschlag keine politischen Mehrheiten. Die Abfall­wirtschafts­betriebe (AWB) seien skeptisch bei dem Thema, glaubt Hövelmann: »Eigenkompostierung nimmt der AWB ihr Kerngeschäft weg.« Es wüssten zudem nur wenige Menschen, dass man einen Abschlag von seinen Abfallgebühren bekommt, wenn man Eigenkompostierung nachweist. Ein anderes Modell seien öffent­liche Abgabestellen für ­Bio-Ab­fälle mit Kompostern und Wurmkisten. Im Antrag im Um­welt­aus­schuss heißt es, Köln solle »mit­telfristig Deutschlands erste wurmfreundliche Kommune werden«. Die ­grüne Regentonne an der Sül­zer Triangel könnte nur der ­Anfang sein.