Wenig festliche Stimmung: Hauptsitz der IHK an Unter Sachsenhausen

Kammerspiel

Die Kölner Industrie- und Handelskammer ist auf Krawallkurs

Alles Geisterfahrer, außer uns — so lässt sich die Position des Präsidiums der Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) beschreiben. Der Verband, der rund 150.000 Gewerbetreibende und Unternehmen vertritt, ist aus dem Dachverband der IHKs in NRW ausgetreten. Präsidentin Nicole Grünewald spricht von »Befreiung«. Die Hauptgeschäftsführer der anderen rheinischen Kammern sagen: Die Kölner IHK-Spitze mache wiederholt Falschbehauptungen, also: lüge.

Es geht um den »Reviervertrag 2.0«, den Vertreter von Bundes- und Landesregierung und der ­Region im Mai unterzeichneten. Sie bekennen sich darin nachträglich zum vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030, den der Bundestag bereits Ende 2022 beschlossen hatte. Die IHK Köln, mit dem Rhein-Erft-Kreis auch für Teile des Kohle-­Reviers zuständig, verweigerte die Unterschrift. Niemand habe plausibel dargelegt, wie der Strukturwandel in nur sechs­einhalb Jahren gelingen könne, so Grünewald. Sie und Haupt­geschäfts­­­führer Uwe Vetterlein betonen, man trage Verantwortung für die Mitglieder, die sich berechtigte Sorgen um den Standort und ihre Existenz machten. Stolz verweist man darauf, dass es die Meldung, dass die IHK Köln den Revier­vertrag nicht unterzeichnet, in die »Tagesschau« geschafft habe.

Im Podcast »Kammer Sutra« der IHK Köln sagen Grünewald und Vetterlein, die anderen IHKs hätten sich zunächst ebenfalls gegen den vorgezogenen Kohleausstieg positioniert, seien dann aber »abgebogen«, obwohl sich an den Bedingungen nichts geändert habe. Eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln habe die Bedenken am Ausstieg bis 2030 untermauert. Auf einmal hätten die rheinischen IHKs auf einer Sitzung des Dachverbands einen Katalog von »absurden Vorwürfen« präsentiert und gefordert, die IHK Köln solle in Zukunft keine Anträge mehr stellen — und Grünewald ihr Mandat im Landesvorstand niederlegen. Stattdessen habe das Kölner Präsidium einhellig beschlossen, den Dachverband zu verlassen. Man werde Kölner Anliegen nun »im Direktvertrieb« bei der Landesregierung vertreten und Gehör finden, so Grünewald. Schließlich erwirtschafteten die Kölner Mitglieder 20 Prozent der NRW-Wirtschaftsleistung.

Die IHKs Aachen und Mittlerer Niederrhein schießen zurück. Man habe die Haltung zum vorgezogenen Kohleausstieg zu keinem Zeitpunkt geändert, so Michael Bayer und Jürgen Steinmetz in ­einer Stellungnahme. Man habe den Reviervertrag dennoch unterzeichnet, »um weiterhin sachlich und konstruktiv den Strukturwandel« voranzutreiben. Das »Ausscheren der Kölner IHK erschwert es, schnell Lösungen für das gesamte Rheinische Revier zu erzielen.«

Auch in der Verkehrspolitik ist das Kölner Präsidium auf Krawall gebürstet: Grünewald kritisierte bereits »ideologisch motivierte Verkehrsversuche« und »willkürliche Verbote«. Und sieht sich auf Erfolgskurs: Die Proteste hätten dazu geführt, dass die Stadt die Pläne für weitere Verkehrsversuche in der Schublade lasse. »Uns liegt Köln als starker Wirtschaftsstandort am Herzen. Die IHK ist dabei eine zentrale Partnerin«, so Sandra Schneeloch, finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Rat. »Derzeit scheint sie aber mehr mit sich selbst beschäftigt als mit der proaktiven Gestaltung der hiesigen Wirtschaft.«

Im November urteilte das Verwaltungsgericht Köln, die Wirtschaftsplanung der IHK für das Jahr 2021 sei rechtswidrig, die Kammer hätte die Mitgliedsbeiträge senken müssen. Ein Unternehmer hatte geklagt. Die Mehrheit der Vollversammlung aber unterstützt das Präsidium. Auf einer Sondersitzung Mitte November stimmte sie für den Austritt aus dem Dachverband.