Zwischen Höhlenmalerei und KI: Malcolm Mooney

What!

Derzeit kann man in Düsseldorf Malcolm Mooneys Ausstellung »Can Yoo Doo Right« sehen. Dabei ist der Amerikaner vor allem als Sänger von Can ­bekannt geworden

Eigentlich sollte die Ausstellung »Can Yoo Doo Right« von Malcolm Mooney bereits im Juli in der Düsseldorfer Galerie Max Mayer eröffnen. Dafür kam  er extra angereist. Aber der Deutsche Zoll fertigte zu langsam ab, und so blieben die eingeflogenen Arbeiten für die von Saim Demircan kuratierte Retrospektive des im kanadischen Calgary lebenden Künstlers zunächst hinter verschlossenen ­Türen. Sehr zum Frust von Mooney, der mich mit gedrückter Stimmung im Frühstückssaal ­eines Düsseldorfer Künstlerho­tels trifft.

Schnell wird deutlich, nicht alles läuft immer rund im Leben des 78-Jährigen — und er gibt sich gar nicht erst große Mühe, das zu verbergen. »Ich bin mir nicht sicher, was passiert ist«, eröffnet er unser Gespräch. »Es hat einen schlechten Beigeschmack. Es ist einfach nicht das, was ich erwartet hatte, aber vielleicht hätte ich es erwarten sollen.«

Man muss kein Psychologe sein, um zu erahnen, dass der Frust über die vorläufige Absage der Ausstellung im Gespräch später im Zusammenhang mit Can wieder aufgenommen wird. Malcolm Mooney trägt in seiner Biografie einiges an Misstrauen mit sich herum. Er war der erste Sänger der Kölner Monster-Band, gemeinsam mit Jaki Liebezeit, Irmin Schmidt, Holger Czukay und Michael Karoli nahm er die Alben »Monster Movie« und (das später veröffentlichte) »Delay« auf, bevor er Ende der 70er Jahre zurück in die USA zog, um dort sein Kunststudium abzuschließen. Ende der 80er Jahre kehrte er zur Band für die Aufnahmen zu »Rite Time« zurück, der nächste Besuch sollte dann mehr als 30 Jahre auf sich warten lassen.

Nach Can widmete sich Mooney primär der Kunst, bis heute hat er seine Arbeiten in mehr als 40 Ausstellungen in Nordamerika ausgestellt. Derzeit lehrt er an der Alberta University of the Arts. Erst Ende der 90er Jahre begann er mit der Band The Tenth Planet wieder Musik zu machen, aktuell unterhält er zusammen mit der Gitarristin Alva Mendoza und dem Schlagzeuger Steve Shelley (ehemals Sonic Youth) die Band The Eleventh Planet. Mit anderen Musiker:innen zusammenzuarbeiten sei aber nicht leicht, führt Mooney aus, zumindest nicht, wenn man sie fair bezahlen wolle. So reiche die Gage für ein Konzert in New York gerade mal für seine Anreise aus Kanada und den Proberaum zur Vorbereitung. Davon leben könne man nicht.

»Ich hatte nicht erwartet, dass diese Ausstellung ein Höhepunkt werden würde«, kommt Mooney auf seinen Besuch in Düsseldorf zurück. »Um ehrlich zu sein, glaube ich mehr und mehr, dass ich ein arbeitender Mensch bin und keine Berühmtheit.« Ich möchte von ihm wissen, ob es einen gemeinsamen Nenner zwischen seiner Bildenden Kunst und seiner Musik gibt. »Alles, was ich mache, ist im Grunde improvisiert«, antwortet er. »Ursprünglich sollte die Ausstellung What! heißen, mit Ausrufezeichen! Ich arbeite aktuell an einer Serie namens The ­Poured Series, es sind Farbschüttungen, die in gewisser Weise auto­matisch entstehen. Ich kann den Guss nur ein wenig lenken. Aber wenn die Güsse fertig sind und trocknen, gehe ich zurück und finde einige Elemente, von denen ich denke, dass sie RAM sein könnten: Zugang, Speicher. Ich verstehe Kunst und somit die Kunstgeschichte als ein Kontinuum.« Wo befindet sich Mooney selbst auf dieser Zeitachse? ­»Irgendwo in der Mitte zwischen den Höhlenmalereien und der KI.«

Ich bin ein arbeitender Mann und ­­­kein ProminenterMalcolm Mooney

Mooney erzählt, dass er in seinem Grundstudium eine Abhandlung darüber geschrieben habe, dass es der Kunstgeschichte nichts Neues mehr hinzuzufügen gebe. Er bekam eine schlechte Note dafür. Als er die gleiche Geschichte im Graduiertenkolleg als Künstlerposition wiederholte, wurde sie als exzellent bewertet. Der Kunstbetrieb sei ein Bluff-Milieu wie viele andere auch, findet Mooney. Man müsse als Künstler nicht zwingend mitmachen und sich auf die Fahne schreiben, etwas Neues zu finden. Schmunzelnd fügt er hinzu: »Dann findet man vielleicht etwas Neues!« Die Frage sei doch, »was ist Kunst und warum machen wir Kunst?« Die Antwort gibt sich Mooney selbst: »In unserer heutigen Gesellschaft wollen viele Menschen lieber das Ergebnis der Kunst haben, das heißt den Erfolg, der sich aus der Kunst ergibt, das fertige Werk. Aber viele Künstler, mich eingeschlossen, lieben den Prozess. Sie akzeptieren nicht so leicht, dass der Prozess vorbei ist, während Leute, die das Ergebnis haben wollen, den Prozess übergehen wollen.« Seine Ableitung: »Wir brauchen mehr Künstler, die ein Risiko eingehen.«

Ich wechsle das Thema und frage Mooney, was er in seinen Bildern sucht. »Space is the place, du weißt schon: Sun Ra! Es muss in meinen Arbeiten immer einen Abstand zwischen dem Vordergrund und dem Hintergrund geben. Es ist mir egal, ob es abstrakt ist oder nicht, aber irgendwie will ich etwas, das mir zeigt, dass diese Leinwand nicht nur flach ist. Wenn es eine flache Oberfläche ist, möchte ich immer noch glauben, dass es neben der Oberfläche etwas gibt, das die Energie des Bildes zeigt.« Man kann Malcolm Mooney in diesen Momenten, in denen er tief in seine eigene Kunst eintaucht, endlos zu hören, nicht nur wegen dem, was ihm an Antworten einfällt, sondern vor allem wegen des Glücks, das aus ihm strahlt. Man spürt den happy place, an dem er sich aufhält — und das fühlt ich auch für einen selbst gut an.

Wenn man bei einem Konzert den Musiker:innen bei der Improvisation zuhört und -sieht, dann ist die Freiheit des künstlerischen Prozesses sehr direkt greifbar. Wäre denn meine Erfahrung vergleichbar, wenn ich ihn im Atelier beobachten dürfte? »Nun, es gibt einen Zauber, der entsteht, wenn man einem Künstler bei seiner Arbeit zusieht. Normalerweise spiele ich Musik, wenn ich male. Der Klang von etwas erzeugt eine Vibration. Auf der visuellen Seite denke ich, dass dasselbe passieren kann, aber es ist etwas auf der Farbwellenlänge. Ich schätze, wenn du mir dabei zusehen würden, würdest du vielleicht die Hände hochwerfen und aus dem Raum rennen. Ich kann nur sagen: Es bereitet mir großen Spaß zu malen.«

Und dann sind wir bei Can angekommen. Es scheint ihm durchaus ein Bedürfnis zu sein, ein paar Dinge loszuwerden hier und heute, bei seiner ersten Rückkehr in die alte Heimat nach mehr als dreißig Jahren. »Die Musik von Can hat mich nie enttäuscht«, beginnt er versöhnlich, »aber das Musikgeschäft rund um die Band herum, das war, sagen wir es mal so: nicht einfach.«

Es folgt ein ausgreifender Monolog über die dunkle Seite des Musikbusiness, beispielsweise die nicht immer nachvollziehbare Festlegung der Copyrights an den Songtexten und den Kompositionen oder auch die oft unangemessene Repräsentation der Bandmitglieder. Kurzum: Es nagt an ihm das Gefühl, nicht den Platz in der Bandhistorie zugeschrieben bekommen zu haben, der ihm zustünde. So endet der Monolog nicht überraschend zynisch: »Was ist Wert? Für die Musikindustrie ist Wert gleichbedeutend mit Profit!« Man muss Malcolm Mooney hoch anrechnen, dass weder der historische Ballast, den er mit sich herum schleppt noch die Verzögerung der Ausstellung ihn resignieren lassen. Er macht einfach immer weiter.

Das Konzert, das er gemeinsam mit der Kölner Band Montel Palmer im Kölner Club Jaki am Abend nach dem Gespräch gab, war schlichtweg fantastisch. Obwohl nur einmal vorher geprobt, fanden Band und Sänger sofort zueinander, erschufen einen Raum ohne versteckte Fallen, ein safe place für Versöhnung im Geiste der Improvisation.

Vier Monate später ist es dann und aller Skepsis von Malcolm Mooney zum Trotz doch so weit, er eröffnet in Düsseldorf endlich seine erste Ausstellung in Europa: »Can Yoo Doo Right«. Die Arbeiten hierfür sind zwischen 1970 und — im wahrsten Sinne — Heute entstanden, realisierte er doch in der Nacht vorm Opening noch zwei Objekte. Sie zeugen von seinem sehr offenen künstlerischen Ansatz, mit angenehm bescheidenem Gestus weiß Mooney abstrakte Malerei und Assemblage zu kombinieren. Passend trägt er bei der Eröffnung, u.a. in Anwesenheit von Hildegard und Irmin Schmidt sowie Steve Shelley, Gedichte vor, in denen er die eigene Geschichte und die größeren geschichtlichen Zusammenhänge zusammen führt. Ganz so, wie seine künstlerische Biografie eben auch das Ergebnis von multiplen sich verflechtenden Pfaden ist.

Galerie Max Meyer, Mutter-Ey-Str. 3, Düsseldorf, »Can Yoo Doo Right«, bis 6.1.2024
Öffnungszeiten unter: maxmayer.net