Tentakuläres Sitzen: Auf der Bühne von [OHNE PRONOMEN]

Raus aus dem ­Elfenbeinturm

Die Reihe [OHNE PRONOMEN] widmet sich queer-feministischen Autor:innen

2022 hat Kim de l’Horizon für ­seinen Roman »Blutbuch« den Deutschen Buchpreis erhalten. Obwohl das Buch formal höchst originell war, wurde in den Feuilletons und Kommentarspalten  hauptsächlich über die nicht-­binäre Geschlechtsidentität de l’Horizons gesprochen.

Solange das so ist, könne von Gleichberechtigung queerer Autor*innen im Literaturbetrieb nicht die Rede sein, finden Jennifer de Negri, Leonie Hoh und Suse Itzel. Sie haben im vergangenen Jahr die queer-feministische Literatur-Plattform [OHNE PRONOMEN] gegründet. Die Lesungs- und Gesprächsreihe im Freien Werkstatt Theater in der Südstadt lädt regelmäßig unbekanntere, zu entdeckende Autor:innen ein, die als nicht-cis-männlich, nicht-binär oder nicht-weiß gelesen werden.

»Wir wollen Austausch über Literatur abseits etablierter Institutionen ermöglichen«, sagen die drei, die als Kollektiv zitiert werden möchten und sich an der Kunsthochschule für Medien Köln kennengelernt haben. »Obwohl die Relevanz queerer und intersektionaler Themen immer sichtbarer wird, haftet ihnen oft noch der Stempel des Nischenthemas an. Wir glauben, dass diese Themen literarisch ein breiteres Publikum erreichen können.«

Dass Menschen ohne Berührungspunkte mit Feminismus und Queerness sich nicht abgeholt fühlen könnten von [OHNE PRONOMEN], ist ein Einwand, mit dem das Team schon mehrfach konfrontiert war. Doch die drei sind überzeugt, dass ihr Konzept queer-feministische Debatten aus dem akademischen und hochkulturellen Elfenbeinturm herausholt. »Denn vor allem ­wollen wir eine Literaturveranstaltung, die Spaß macht.«

Nichts läge [OHNE PRONOMEN] ferner als Wasserglas-­Lesungen. Auf der Bühne nehmen immer alle Eingeladenen ­gemeinsam Platz, eine salonartige Atmosphäre. Das Bühnenbild ist den Tentakeln von Oktopoden nachempfunden, in denen sich die dezentralen Denk- und Fühlorgane der sensiblen Tiere mit drei Herzen befinden, und erinnert an Donna Harraways »tentakuläres Denken«.

Bei der kommenden Ausgabe am 7. Dezember lesen Hatice Açıkgöz, Esra Canpalat und Liola Nike Mattheis. Zu Gast ist außerdem Dirk Schulz, Leiter des Zentrums Gender Studies in Köln, für einen Talk über Märchen und eine queer-feministische Betrachtung des Grimm’schen Klassikers »Aschenputtel«.

Freies Werkstatt Theater, Do 7.12.,
19. 30 Uhr. Eintritt ab 0 Euro,
bitte vorher Tickets reservieren