Simon Ungers’ »Wall« als Zentrum des Gedenkorts

Die (vor-)letzten Mauern

Gedenkort Deportationslager Köln-Müngersdorf

Zwischen Köln und Aachen verlief einst der Eiserne Rhein: eine Bahntrasse, die preußische und später deutsche Interessen an einem ­Zugang zum Antwerpener Hafen ­verfolgte. Den Bahnhof Belvedere, der an der Strecke lag, gibt es immer noch; er wird gerade zu einem inklusiven Kulturort umgebaut.

Unweit hiervon, etwas südlich steht eine Mauer aus Stahl, die wenigsten Kölner*innen haben sie bisher zu Gesicht bekommen. Wer nicht in Müngersdorf wohnt oder gerade die zweite Etappe des Kölner Wanderwegs absolviert, stolpert eher selten im Hinterland der Domstadt herum. Die Randstellung dieses Ortes kam den Nazi-Schergen gerade gelegen, als sie hier, im alten, ­verfallenen preußischen Fort V 1941 ein Deportationslager einrichteten. Vier Jahre lang lebten hier Menschen, interniert, unter schlimmsten hygienischen Bedingungen. Doch die Hölle des Deportationslager sollte nur ein Vorspiel sein für das, was auf viele von ihnen noch wartete.

Am Walter-Binder-Weg wurde auf Grundlage von Entwürfen des Bildhauers Simon Ungers, die er einst für die Topographie des Terrors in Berlin entwickelt hat, zwischen 2018 und 2020 die Arbeit »Wall« realisiert. Es ist vor allen Dingen im Herbst und Winter ein wenig besuchter Ort, schnell steht man alleine auf der lichten Stelle des Grüngürtels, aus der diese Wand, diese Mauer ragt. Rostrot und etwa drei Meter hoch, steht sie in Cortenstahl mit Vorsprüngen und kleinen Durchbrüchen. Man mag sich schnell fragen, ob die Ästhetik an die Eisenbahnschienen erinnern soll; jenen Schienen des »Eisernen Rheins«, die für viele die erste Etappe ihrer Fahrt in die Vernichtungslager ­bedeuteten. Simon Ungers, 1957 als Sohn des Architekten O.M. ­Ungers in Müngersdorf geboren, hat die Umsetzung der Arbeit nicht erlebt. Er starb bereits 2006 in Hürth. Ungers Skulpturen sind, genauso wie die Arbeit am Gedenkort, die seine Schwester Sophia Ungers koordinierte, leise, aber bedrückend und besitzen eine schlichte Architektur.

Sie lassen viel Platz, um wahrzunehmen, selbst zu erfahren — und in diesem Fall, um in der jüdischen Tradition der Ehrerbietung den Toten gegenüber Steine auf die Vorsprünge abzulegen. Es sind mittlerweile an die hundert. Diese Mauer wird so zum Grabstein der Ermordeten. Und sie erinnert daran, dass die Mauern des Lagers für viele Internierte die vorletzten ihres Lebens waren — die letzten umschlossen die Gaskammer.