Kann Theater heute noch politisch sein?

Zitatgewitter

Tim Mrosek diskutiert politisches Theater — samt seiner Vergeblichkeit kurz vor dem nächsten Desaster

Schon seltsam, im Theater nicht mit Schauspieler*innen konfrontiert zu sein — sondern schlicht mit einem weißen Bildschirm und schwarzer Schrift. Kumpelig kommuniziert der Screen mit uns, als würde er uns schon lange kennen: entspannen sollen wir uns, keine Angst haben vor Beteiligung, obwohl (oder weil) es sich um »Politisches Theater« handelt. Was ja auch schon im Titel der neuesten Arbeit von ct.201 und Regisseur Tim Mrosek steht. Er hat eine Meta-Befragung unternommen: Kann Theater heute überhaupt noch politisch sein? Reicht es schon, mit Hilfe der unter dem Sitz liegenden Abstimmkarten »Ja«, »Nein« oder »Ich bin überfordert« zu äußern? Oder in verteilten Rollen im Chor einen Dialog nachzusprechen? Zwar eine echte Beteiligung der sonst immer so arg entmündigten Zuschauer*innen — aber wohin soll das führen?

Im zweiten Teil bekommt das Publikum noch mehr Mitspracherecht. Auf einer »Agora« finden wir uns zu fünf Personen zusammen, geleitet durch bunte Punkte, die auf Artikeln standen, die uns mit politischem Info-Material versorgt haben. Ich habe etwas über Homosexualität im Sport, andere über Veganismus oder ­Migration. Das Projekt zur Weltverbesserung, das unsere Gruppe sich in zehn Minuten ausdenkt, ist spitze: Wie wäre es mit echten Dialogformaten, anhand eines Lieblingssongs, um Menschen unterschiedlicher Haltung empathisch füreinander zu machen?

Leider interessiert sich am Ende keiner mehr dafür, es waren vor allem Zitate verschiedener theatraler Politik-Versuche, zwischen »SheShePop« und »katze und krieg«. Vielleicht spielt Tim Mrosek deshalb nun melancholisch Billy Joels »We didn’t start the fire«, während Schauspieler Manuel Moser eine furiose One-Man-Show startet und durch die Zuschauer streift, um uns so richtig daran zu erinnern, was alles politisch schiefläuft, etwa die ­drohende AfD-Landnahme der gesamten Politiklandschaft. Und schwer in Frage stellt, ob Theater daran etwas ändern kann.

Man hat schon manches Aha-Erlebnis — und es ist spannend, in diesem rasenden Zitatengewitter die verschiedenen Aspekte des politischen Theaters vorgeführt zu bekommen. Samt seiner Vergeblichkeit im Angesicht des sich abzeichnenden politischen Desasters. Der Abend will viel, bleibt am Ende aber eher fragmentarisch und ziemlich vollgestopft. Auch wenn ich mich ziemlich gut amüsiert habe.