»Penthesilea«: Männlichkeit als Plage der Welt?

Radikale ­Überschreibung

Das Studio Trafique bringt Gender Trouble in die ­griechische Mythologie um »Penthesilea«

Wie ein Gruselschocker beginnt im Studio trafique, jener neue lauschige Spielort in Nippes, die »Penthesilea — Battle of the Sexes«. Heiser kläffen die Hunde, blutverschmiert verzerren sich die Visagen. Ursprünglich war das mal ein Stück von Kleist oder Homer. Achill und die Amazonen­königin treffen sich, verfallen einander in rasender Leidenschaft, ­zerfleischen sich am Ende. Regisseur Björn Gabriel hat das Stück mit eigenem Text überschrieben, auf heutige Geschlechterkämpfe, Machtspiele, Gendertransformationen bezogen — und mit gran­diosen Videobildern versetzt.

Gleich am Anfang erzählt ­Tomasso Tessitori als doppelgesichtiger, namenloser Mönch, dass letztlich beide Mann und Weib in einem sind, unterworfen aggressiven menschlichen Grundtrieben. Aber wie soll man diese blöde binäre Prägung, diese Kon­trolle des nun mal gegenderten Körpers, loswerden? Kann dies das Ziel sein? Und würde frau ­einen männlichen Feministen wirklich begehren? Doch Männer im alpha-männlichen Sinn sind eben auch »Plage der Welt«, spricht Penthesilea (Johanna Reinders) und zählt als Beweis amerikanische Präsidenten auf.

»Vielleicht haben wir unsere Diskursstärke in überflüssigen Einzelkämpfen verpuffen lassen!«, ruft Achill (Nicolas Martin) irgendwann verzweifelt, der nicht in jeder Minute gegen die große unwoke Ungerechtigkeit ankämpfen will, sondern sich nach Frieden sehnt.

Ziemlich verschraubt philosophisch sind zuweilen die Dialoge der in glitzernden Antik-Kostümen gekleideten Protagonist*innen, unterlegt mit düsterer Musik ­hinter bizarr beleuchtenden ­Vorhang-Ebenen: Das Ganze ist perfekt gemacht. Am Ende wird durchgespielt, wie es ohne Blutbad gekommen wäre: Penthesilea und Achill sitzen zusammen in der Küche und schlürfen Suppe, verfangen in öden Alltagsloops. In Schnelldurchlauf wird ein hellblaues Riesenbaby (Tessitori) geboren und tyrannisiert mit Auas, Häufchen und Dauerpräsenz, das ist nebenbei auch ziemlich witzig.

Wäre da die tödliche Leidenschaft männlich und weiblich gelesener Körper nicht doch spannender gewesen? Der Schluss ist radikal, soll aber nicht verraten werden. Prägung — unhinterfragte Glaubenssätze — was bestimmt unsere Leidenschaft? Die Fragen bleiben offen. Dem Studio Trafique ist ein Abend am Puls der Zeit gelungen. Etwas weniger ­abstrakter Text hätte es jedoch auch getan.