Unruhig geblieben: Iran Ende der 1970er

»Ein Mosaik wie die iranische Gesellschaft«

Regisseurin Sepideh Farsi über ihren Animationsfilm »Die Sirene«, der eine Geschichte aus dem Iran-Irak-Krieg erzählt.

Frau Farsi, die derzeitigen Iran-­Bilder sind durch die Bewegung »Frau Leben Freiheit« geprägt. Sie aber thematisieren in »Die Sirene« etwas anderes.

Der Iran-Irak Krieg ist ein wichtiges Kapitel der modernen Geschichte des Mittleren Ostens. Aber wenn heute davon gesprochen wird, stellt die islamische Regierung die Ereignisse im Kino und in Filmen überwiegend aus ihrer propagandistischen Sicht dar. Mir war es wichtig, eine unabhängige und weibliche Version zu erzählen, durch die Augen eines Teenagers.

Warum wollten Sie »Die Sirene« als Animationsfilm umsetzen?

Diese Zeit Im Iran, kurz nach der Revolution und am Anfang des Kriegs, war noch vom Gefühl der Schah-Ära durchdrungen.  Diese Ära und auch dieses Gefühl existieren nicht mehr, und man hätte das alles nur unter Schwierigkeiten in einem Studio nachbilden können. Es wäre schwierig zu finanzieren und auch zu drehen gewesen, und es ist nicht die Art von Kino, in dem ich mich wohlfühle. Der Animationsfilm gibt dir die Freiheit, eine traumhafte Atmosphäre mit einer realistischen Annäherung zu mischen.

 »Die Sirene« hat einen in Paris lebenden iranischen Drehbuchautor, einen aus Syrien stammenden franko-armenischen Art-Designer, eine Produktionsfirma mit viel internationaler Erfahrung. Wie geht man an so ein komplexes Projekt heran?

Als Iraner aus der Diaspora teilt Drehbuchautor Javad Javahery mit mir viele Erfahrungen. Zaven Najjar habe ich später kennengelernt, er konnte sich aufgrund seiner armenischen Familiengeschichte, mit Wurzeln in Syrien und Libanon, wunderbar in das Universum des Filmes einfühlen. Er hat das gesamte Design gemacht — alle Charaktere, den gesamten Stil. In die Ausführung der Animationen waren dann vier, fünf Länder involviert, unter anderem die Slowakei.

Und was hat das TrickStudio Lutterbeck aus Nippes gemacht?

Ein anderes Kölner Studio hatte das Charakter-Skelett ausgearbeitet, aber das Nippeser TrickStudio war unser Ko-Produzent in NRW. Es hat Hintergründe gemacht und vor allem auch die Charaktere animiert. Diese Kooperation war sehr aufwendig.

Der Animationsfilm mischt traumhafte Atmosphäre mit einer realistischen Annäherung

Das Ergebnis ist nicht nur sehr poetisch, es gibt auch detailliert diese Zeit wieder.

Diese quasi-historische Genauigkeit war mir sehr wichtig, wir haben extrem viel recherchiert. Leute aus der iranischen Stadt Abadan, die den Film sehen, sind immer wieder verwundert und gerührt. Auch das dortige Cinema Rex, in dem während der Revolution 1978 durch einen Brandanschlag Hunderte Menschen ums Leben kamen, ist zu sehen. Einige Charaktere haben reale Vorbilder — der griechische Fotograf George hat existiert, als visuelle Referenz haben wir den großartigen armenischen Schauspieler Levon Haftvan genommen, weitere bekannte Schauspieler bei den anderen Figuren.

Für den Jungen Omid haben Sie eine weibliche Stimme gewählt.

Es war wichtig, die Originalversion auf Persisch zu machen, ein Film über Iran auf Französisch oder auf Englisch wäre für mich falsch gewesen. Die Hauptrolle habe ich an Mina Kavani gegeben, eine Schauspielerin in Paris.  Omid steht zwischen Kindheit und Erwachsensein, schwach und auch stark, und da hatte die Schauspielerin ein reicheres Spektrum zu bieten als ein Teenager. Da ich seit 2009 nicht in den Iran reisen kann, fand die Vertonung teilweise über die Distanz von Tausenden Kilometern statt. Das war sehr kompliziert, aber wir haben es geschafft.

Lassen Sie uns noch die vielen musikalischen Referenzen erwähnen — Said Schanbezadeh etwa ist ein bedeutender Musiker aus dem Süd-Iran.

Ich wollte dem Publikum die Komplexität und Diversität der iranischen Gesellschaft vermitteln, die stark von den Klischee-Bildern abweicht. So habe ich traditionelle Musik, Jazz, Pop, Rock und Klassik eingebunden. Eric Truffaz, ein französischer Jazzer, hat den Soundtrack komponiert und auch einige iranische Musiker*innen reingenommen. Dazu kamen regionale Stücke aus Abadan. Ich glaube, dieses musikalische Mosaik ist wie die iranische Gesellschaft.

(La Sirène) F/D/LUX/B 2022, R: Sepideh Farsi, 100 Min., Start: 30.11.