Die Hoffnung in der Trostlosigkeit

Kash Kash

Lea Najjars Doku zeigt die Welt der Taubenliebhaber Beiruts und fängt ihr Lebensgefühl ein

Hassan schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Radwan ist Friseur, Abu-Mustapha Fischer. Was die Männer aus Beirut eint, ist die Liebe zu Tauben. Sie feilschen um die schönsten und stärksten Tiere, zähmen und pflegen sie, opfern ihr letztes Geld für Futter. Die Vögel sind ihr Einsatz bei Kash Hamam, dem traditionellen Wettstreit unter Taubenhaltern. Dabei lassen die Spieler ihre Tauben fliegen, schleudern Orangen in den Himmel, um sie aufzuscheuchen und ihren Flugkreis zu erweitern. Ihr Schwarm soll sich mit denen anderer Spieler vermischen, deren Tiere anziehen und mit ihnen auf dem heimischen Dach landen. Wer Tauben eines Rivalen fängt, hat gewonnen und kürzt ihre Flügel, damit sie erst wieder fliegen, wenn sie sich an den neuen Schwarm und die neue Umgebung gewöhnt haben.

Filmemacherin Lea Najjar begleitet die Männer bei der Arbeit, auf der Straße und im Umgang mit den Tauben. Die Männer leiden unter der Inflation, den mangelnden Berufsaussichten, dem Stillstand im Land, schimpfen auf die korrupte Regierung. Auf dem Dach fachsimpeln sie mit Freunden über Taubenzucht, präsentieren frisch geschlüpfte Küken, lassen Nachbarskinder die Tiere streicheln. Aisha träumt von der eigenen Zucht, doch von ihrem Onkel bekommt sie zu hören, das sei Sünde, da nur Jungen Kash Hamam spielen dürften. Ganz von den Vögeln lassen wird das Mädchen jedoch nicht.

Überhaupt kommt Lea Najjar ihren Protagonisten sehr nah. Nach und nach erschließt sie die Welt der Kash-Hamam-Spieler. Wie sehr deren Frust die Stimmung im Land widerspiegelt, zeigen die Szenen der Massendemonstrationen gegen die Regierung im Jahr 2019. Ein Züchter lässt vor Nachrichtenkameras seine Tauben in die Luft steigen: hier als Zeichen für Frieden und für die Einigkeit der Demonstrierenden unterschiedlichen Glaubens. Ein Jahr später wird Beirut von einer Explosion erschüttert, bei der mehr als 200 Menschen sterben und viele Tausende obdachlos werden.

Trotz der schweren Themen, die er berührt, behält Lea Najjars Film eine schwebende Leichtigkeit, die er sich von den Taubenschwärmen abguckt. Am Ende übernimmt die Kamera die Perspektive der Vögel, steigt in die Luft, jagt über Straßen, Plätze und die Trümmer Beiruts, eine zerklüftete Steinwüsten-Stadt direkt am Meer: schrecklich und wunderschön. 

LBN/Q/D 2022, R: Lea Najjar, 90 Min., Start: 7.12.