Die Freiheit im Gefängnis

Eileen

William Oldroyd verfilmt Ottessa Moshfeghs sarkastischen Thriller mit Gespür für Feinheiten

Dass die Sixties nicht nur swinging, sondern auch beengt und trostlos waren, vermittelt »Eileen« eindrücklich. Die 24-jährige Hauptfigur (Thomasin McKenzie) lebt in einer Kleinstadt an der Ostküste, in einem heruntergekommenen Haus, allein mit ihrem Vater, einem von Suff und Verdruss jähzornigen Ex-Polizisten (Shea Whigham). Eileen arbeitet als Sekretärin im örtlichen Jugendgefängnis. Winter 1964, Leben und Job öden sie an. Eileen fantasiert von Gewalttaten oder dreckigem Sex mit dem jungen Knastwärter, wirkt dabei selbst wie ein graues Mäuschen. Eines Tages tritt die charismatische Psychologin Rebecca Saint John (Anne Hathaway) ihre Stelle in der Vollzugsanstalt an und bringt mit ihrem mondänen Glamour ungewohnten Elan in den monotonen Alltag. Plötzlich erscheint alles aufregend, zwischen den beiden ungleichen Frauen funkt es sofort. Eileen fühlt sich zu der überbetont selbstsicher auftretenden Älteren eigenartig hingezogen. Will sie Rebecca als Freundin oder als Liebhaberin oder will sie wie sie sein? Langsam und vorsichtig bahnt sich eine Verbindung an, Eileens Welt dreht sich nur noch um Rebecca, doch auch die hat ihre düsteren Geheimnisse, und Eileen schlittert mitten hinein in eine Katastrophe, die sie sich nicht fieser hätte fantasieren können.

Das Psychothriller-Drama basiert auf dem 2015 erschienenen zweiten Roman der US-Autorin Ottessa Moshfegh, der danach mit »Mein Jahr der Ruhe und Entspannung« auch hierzulande ein Bestseller gelang. Gemeinsam mit ihrem Partner Luke B. Goebel schrieb sie nun das Drehbuch, dessen Handlung unmittelbarer wirkt als im Roman, der als Erinnerung Eileens Jahrzehnte später erzählt ist. Treu bleibt der Film aber dem psychosexuell aufgeladen, irritierend sarkastischen Tonfall der Vorlage, den der britische Regisseur William Oldroyd zu nutzen weiß. Oldroyd kommt vom Theater, sein Filmdebüt gab er 2016 mit »Lady Macbeth« mit der damals noch unbekannten Florence Pugh. Oldroyds Talent für Atmosphäre und intensive, oft kammerspielartige Momente ist auch »Eileen« anzumerken. Ebenso Oldroyds Gespür für Schauspielerinnen: Anne Hathaway war lange nicht so gut wie hier als kettenrauchende Femme fatale mit platinblonder Perücke. Und Thomasin McKenzie ist eine leise-verstörende Wucht in ihrer ambivalenten Titelrolle.

USA 2023, R: William Oldroyd, D: Thomasin McKenzie, Anne Hathaway, Shea Whigham, 97 Min. Start: 14.12.