Bietet Hilfe, die Hausärzt:innen nicht leisten: SoliMed Köln

Gemeinschaftlich gesund

Die Initiative SoliMed Köln will medi­zi­nische Ver­sorgung und Stadt­teil­arbeit verknüpfen. Sie wünscht sich mehr Unter­stützung von der Stadt Köln

Im Kalker Norden, zwischen Bahntrassen und Autobahnzubringer, befindet sich das Stadtteilbüro des Veedel e.V. Hier findet seit März 2023 jeden Mittwoch die Gesundheitssprechstunde der Gruppe SoliMed Köln statt, der Name steht für Solidarische Medizin. Julia, Jana und Maja sitzen in einem kargen Büroraum, es gibt Kräutertee und Kaffee aus der Thermoskanne, auf dem Tisch ­liegen Flyer in deutscher, arabischer, türkischer, italienischer und englischer Sprache. SoliMed Köln bietet Hilfe, die Hausärzt:­innen gewöhnlich nicht leisten. »Wir definieren gemeinsam Ziele und Bedürfnisse und nehmen uns Zeit«, so Julia, die Osteopathin ist.

Die Gruppe vermittelt an Ärzt:innen und Dolmetscher:­innen, hilft bei Anträgen für einen Pflegegrad oder erklärt ärztliche Schreiben. Das Angebot richtet sich an alle — auch an Menschen ohne Papiere, Kranken­versicherung oder Aufenthaltsstatus. ­Dabei will die Gruppe besonders ­sensibel für mögliche rassistische, sexistische oder queer­feind­liche Dis­krimi­nie­rungs­erfahrungen der Patient:innen sein.

»Leider können wir noch keine ärztliche Versorgung bieten«, sagt Ärztin Maja. Wer nicht versichert ist, kann sich an die Malteser oder an das Gesundheitsamt ­wenden, wo es etwa eine medizinische Sprechstunde für Schwangere ohne Krankenversicherung gibt. Der Mobile Medizinische Dienst berät bei freien Trägern der Wohnungslosenhilfe und der Suchthilfe. Im Juni 2023 hat die Stadt Köln zudem den »Anonymen Krankenschein« eingeführt. Das bis Ende 2024 befristete Angebot richtet sich etwa an Menschen ohne Aufenthaltsstatus, ohne Ausweis oder an Wohnungslose. Gesundheitsamt oder Malteser stellen den Schein aus, wenn ihre dia­gnos­ti­schen Mittel und Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Laut SoliMed Köln betrifft das auch HIV-Behandlungen; dafür werden Patient:innen fachärztlich weitervermittelt. Auch für soziale Belange gibt es Hilfsangebote in Kalk, etwa den Vingster Treff, die Caritas und die Sozialberatung des Kinderschutzbunds.

Diese Angebote wollen Julia, Jana und Maja ergänzen und ein Stadt­teil­gesund­heits­zentrum (SGZ) in Kalk aufbauen, wo medizinische Berufs­gruppen und ­Sozialarbeiter:innen zusammenarbeiten — so wie in Hamburg oder Berlin. Bundesweit haben sich solche Projekte im »Poli­klinik-Syndikat« vernetzt. »Gesundheit wird oft individualisiert«, sagt Psychotherapeutin Jana. »Wir gucken uns dagegen die Verhältnisse an, in denen Menschen leben, und wie diese krank machen«.

Dazu gehören unsanierte Wohnungen oder Hauptverkehrsstraßen mit Lärm und schlechter Luft. Auch Arbeitslosigkeit führe zu Stress, der Krankheiten begünstige, so Jana. Laut SoliMed Köln gibt es zwischen den Stadtteilen große Unterschiede in der Anzahl medizinischer und psycho­logischer Angebote, aber auch in Bezug auf Arbeitslosenquote, Sterberate und Lebenserwartung.

Im SGZ soll es Gesundheitsversorgung und Stadtteilarbeit unter einem Dach geben — »ein Ort der Begegnung, wo sich Menschen zusammentun können«, so Jana. »Unsere Utopie ist eine Alternative zum jetzigen Gesund­heits­system«, sagt Maja. »Wir wollen vorleben, dass es auch anders funktionieren kann.« Doch bislang bewilligte die Stadt Köln bloß einmalig 2500 Euro. Neben Räumen bräuchte SoliMed Köln einen ärztlichen Kassensitz.

Gesundheitsdezernent Harald Rau und die Kalker Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer (SPD) hätten Sympathie für das Projekt bekundet, Zusagen für finanzielle Unterstützung gebe es aber noch nicht. »Das Konzept eines gemeinwohlorientierten Stadtteilgesundheitszentrums hat durchaus gute Ansätze. Stadtteilbezogene Beratung, Prävention und niedrigschwellige Gesundheitsfürsorge bei enger Vernetzung mit den anderen Akteur:innen vor Ort ist sinnvoll«, so Mechthild Böll, gesund­heits­politische Sprecherin der Grünen. Böll weist auf Pläne des Bundes für den deutschlandweiten Aufbau sogenannter Gesundheitskioske in sozial benachteiligten Regionen hin, die den Zugang zur Versorgung verbessern sollen. Dem wolle man nicht vorgreifen. Wann das Gesetz verabschiedet wird, ist unklar. Ein Stadtsprecher erklärt dazu: »In Ab­hängig­keit davon muss die Stadt dann klären, ob und wie Köln zum Beispiel die Einrichtung von niedrig­schwelligen Beratungs- und Unter­stützungs­angeboten beantragen wird.« SoliMed Köln kämpft weiter für ein solidarisches Gesund­heits­system. »Gesundheit ist ein Grundrecht«, sagt Maja. »Doch es bekommt kaum Aufmerk­samkeit.«