Research im Gewölbe: Wuchernde Kreativität, Foto: brutalism gewoelbe

Besser Raven: Let the new year roll

Ein Ausblick auf das, was uns auf Partys und in Clubs nächstes Jahr hoffentlich erwartet

Im Clubland Köln tut sich was. Da wird sich politisiert, ausdifferenziert, neuformiert: Das Kollektiv Krakelee wünscht sich einen genossenschaftlich organisierten Technoclub, »kollektiv, politisch, links«, TIBA Cologne, Abkürzung für Techno Is Black Again, vermittelt die schwarzen Wurzeln von Techno, Précey fordert mehr Diversität und das Überwinden von Genre-Grenzen, also auch musikalisch mehr Vielfalt. Immer deutlicher verteidigt das Jaki — auch ­neben der Précey-Reihe im Haus — seinen Club als Safer Space und schöpft für Label-Nächte oder die Reihe »Tom Tom Club« bewusst aus der lokalen Szene, und auch das Gewölbe bezieht mit den neuen Party-Formaten »Research« und »Samaia« abseits vom Wochen­end-Club­tourismus Position.

Wobei Clubtourismus nicht gleich schlecht sein muss. Prinzipiell sollten wir bereit sein, mehr Mobilität zu beweisen und uns für unseren Seelensound auf den Weg zu machen. Gerade in Köln schaffen wir es oftmals nicht weiter als bis zur nächsten Bahnunterführung. Dabei gibt es den ­Tresor.West in Dortmund, den Salon des Amateurs oder die Reihe Cube X in Düsseldorf. Es lohnt sich, über die Stadtgrenze hinaus zu schauen.

Weshalb wir in Wuppertal weitermachen, mit den Clubs Mauke und Loch kein völlig weißer Fleck auf der Karte, Newcomer-DJ Maruhni ist Wupper­talerin, und nun kündigt sich die Neueröffnung des Clubs »Open Ground« an, bei zwei Testveranstaltungen und einer Pre-Opening im November wurde der künftige Clubbetrieb bereits geprobt. Mit einer jahrelangen Bauphase hatte der Club schon für Geflüster gesorgt: Seit 2016 ist die neue Spielstätte im Gespräch, als stadtbauliche Maßnahme war das Gelände rund um den Hauptbahnhof restauriert worden, unterirdisch verläuft ein Bunker, der in den letzten Jahren zum Club umgebaut wurde. »Der Club soll im finalen Stadium etwa 1.000 Quadratmeter Fläche umfassen und Platz für bis zu 1.200 Gäste bieten. Einerseits für den Eingangs­bereich, der als offener Innenhof gestaltet wurde, an­dererseits um die Raumhöhe ­anzupassen, mussten etwa 100 Betonklötze mit einem Gewicht von jeweils rund 20 Tonnen in ­tagelanger Arbeit herausgefräst werden. ... Zentrales Thema für den auf elektronische Musik ausgerichteten Club ist jedoch die Akustik innerhalb der zwei Dancerooms, die über den Haupteingang, an dem sich zugleich Lobby und eine »Chill»-Area befinden werden, erreichbar sind.

Das Warm-up bei der Testveranstaltung ist weder warm noch easy, kein Reinplätschern gefälliger Beats and Vibes. Zuerst ein ­angenehm sperriger Mix zwischen Post-Club und Elektro mit wunder­baren Broken-Whatever-Momenten und Glitch-Referenzen. Das war Elke vom Hardwax. Danach eine nicht minder interessante ­Selection von Lil Mofo, die sich musikalisch souverän von Deconstructed rüber zu Upbeat morpht, die Übergänge holpern zwar hier und da, aber das ist in dem Moment verzeihlich, denn ihre Auswahl ist überzeugend und mutig.

Mit diesen zwei Sets einen neuen Club zu eröffnen, ist eine Ansage gegen musikalische Standards, gegen den Wohlklang, ­gegen provinzielle Hör­gewohn­heiten — und das in Wuppertal. Danach gibt es den alten UK-Techno-Helden Surgeon live und Berghain-Resident Fadi Mohem, am Wochenende danach Basic-Channel-Legende Mark Ernestus und UK-Producer Appleblim, ursprünglich aus der Dubstep-Ecke aber irgendwie schon immer a kind of it’s own. Zwei Testveranstaltungen mit richtig Bähm.

Nur eine halbe Stunde Bahnfahrt, wir sind zurück am Dom. Köln hat endlich einen Sonntagsclub, zumindest monatlich, im Gewölbe. Bei der Veranstaltung ist nur die vordere Bar geöffnet, an der man sonst auf dem Weg ins ­Innere des Clubs vorbeigeht. Durch die mit Farbfolien beklebten Fenster dringt das Tageslicht bunt hinein. An einer sonst leeren, schwarz gestrichenen Wand sind künstlerische Arbeiten ausgestellt. Es gibt Blumen und viel Sekt. Wo sonst auf Hockern an ­Getränken genippt wird, erschließt sich nun ein kleiner Dancefloor mit eigenem DJ-Setup, umrandet von Sitz­bänken und der Bar. Nachts wirkt der Vorraum im Gewölbe wenig gemüt­lich, am dritten Sonntag eines Monats verwandelt er sich in eine kuschelige Party-Venue. »Research« heißt die Reihe.

Es lohnt sich, über die Stadtgrenzen hinaus zu schauen!

Der Veranstaltungstitel steht für ein dreiteiliges Konzept, er­klären die Veranstalter Max und ­Merlon, die auch Brutalism machen: »Research meint Erkundung für alle Beteiligten, die Artists, das Publikum und für uns Veranstalter. Es geht um den Raum, den Sound, eine musikalische Spannungs­kurve. Wenn es um 14 Uhr losgeht und es noch hell ist, kann es ruhiger oder experimenteller losgehen, die DJs können sich ­ausprobieren, Techno gibt es erst zum Schluss.« Es gibt keine Residents, es geht nicht um Headliner. »Es legen Leute aus der Region auf, die hier sonst nicht zu hören sind. Wir versuchen, jedes mal andere DJs einzuladen.« Inwiefern hat die Idee eines Sonntagsclubs eine Rolle gespielt? »Sonntags ­haben auch die Zeit, die am Wochenende in der Szene unterwegs waren oder gearbeitet haben. Das war für uns ein wichtiger Punkt, damit es ein Treffpunkt für die Community werden kann.«

Was sich am Publikum abbildet, viele kennen sich unterein­ander und nehmen sich freudvoll in Empfang, die Stimmung ist gelassen, es wird viel gelächelt und trotz des beengten Raums ohne Rempeleien getanzt, mit­ein­ander, nebeneinander, wenn nötig, rücksichtsvoll aneinander vorbei. Im Raucherbereich Gespräche über Politik, Musik, Cluberöffnungen.

Das Gewölbe fühlt sich am ­Research-Sonntag anders an, als sonst, viel mehr nach Techno und Underground und alldem, was Clubmenschen in Köln häufig nicht finden. »Das Konzept von Research hat sich von Anfang an stimmig für uns angefühlt«, erzählt Viky vom Gewölbe, »Ausgehen in Köln ist doch recht kommerziell, aber es gibt immer mehr Leute in der Stadt, die sich von den Clubs und Veranstaltern eine stärkere Abgrenzung wünschen, damit es auch wieder mehr subkulturelle Räume gibt.«

Eine wichtige Rolle bei der ­Gestaltung solcher Räume spielt die Auswahl eines passenden ­Publikums. Türsteherin Stella strahlt, wenn sie von ihrem Thema spricht: »Bei den ersten Veranstaltungen haben wir richtig viele Leute wegschicken müssen, heute waren es nur noch um die fünfzig. Wir wollten von Anfang an konsequent sein, weil wir daran glauben, dass sich das lohnt. Inzwischen haben wir mehr Publikum aus der queeren Community und aus dem Underground, echte Partynerds, und die wollen wir. Es ist mir eine echte Herzensangelegenheit, dass genau solche Leute sich bei uns wohlfühlen.«