Immer mehr in Richtung Selbstverwaltung: Muito Kaballa

Vom Afrobeat zum Algorithmus

Das Kölner Band-Kollektiv Muito Kaballa sind Hidden Champs der Guten-Laune-Musik

Schon 2022 gab es an dieser Stelle einen Artikel zu Musik, die ihren Weg über die allumfassende Macht der Algorithmen (bei ­Youtube oder Spotify) in unsere Playlisten gefunden hat. In der Zwischenzeit stießen wir auf eine weitere Band, deren Platte ­»Mamari« via den Youtube-Musicfluencer-Kanal »2666« reingespült wurde. Die Band heißt Muito ­Kaballa — und kommt erfreulicherweise aus Köln.

Das hätte man beim Sound ihres Debüt-Langspielers »Mamari« nicht sofort gedacht: Die acht Stücke des Albums klingen nach zarten Jazzprogressionen am Fender Rhodes, nach High-Life-Gitarren, nach einer formidablen Afrobeat-Band, die immer wieder von der souligen Stimme der Sängerin Nora Beisel in fast schon trancige Zustände gehoben wird. Wunderbare Bläser-Call&Response-Phasen werden von einer spielfreudigen Big-Band-Besetzung in Form ­gebracht. Das ist näher an der nigerianischen Kommune Kalakuta, die der Afrobeat-Impresario Fela Kuti in den 1970ern erdacht hat, als an Köln. Muito Kaballa klingen wie ihr Name: international.

Wobei schon der Name Fragen aufwirft, denn bei der Recherche taucht auch noch der Name Muito Kaballa Power Ensemble auf. ­Niklas Münde­mann, Saxofonist, Songwriter und, wenn man so will, Urheber der Band, rückt es im Interview zurecht: »Wir haben uns für das erste Album »Mamari« den Zusatz Power Ensemble  gegeben, weil wir es irgendwie für passend und cool hielten. Außerdem war ja Muito Kaballa vorher mein Soloprojekt gewesen.« Der Zusatz Power Ensemble sollte nicht nur die Tanzorientierung betonen, sondern auch anzeigen, dass das Projekt gewachsen ist. Wie gesagt, anfangs zauberte der Multiinstrumentalist noch alleine als Muito Kaballa rum. Bei diesen Frickeleien entstand bereits 2019 das erste ­Album »Everything Is Broken«, das beim Kölner Label Switch­stance erschien. Doch wie kam es überhaupt zu dem eigenartigen Namen? »Der Name Muito Kaballa hat tatsächlich überhaupt keine Bedeutung. Damals als ich auf der Suche nach einem Namen war, fand ich einfach den Klang der zwei Wörter schön«, erzählt ­Mündemann.

Das ist näher an der nigerianischen Kommune Kalakuta, die der Afrobeat-Impresario Fela Kuti in den 1970ern erdacht hat, als an Köln

Die Ursprünge des Projekts reichen noch weiter zurück, ins Jahr 2017. Da verdiente Mündemann seine Sporen als Straßen­musiker; ein Fahr­rad­an­hänger wurde für diese Zwecke umgebaut und war allzeit bereit, um in Sekunden zur kleinen Konzertbühne zu werden. Er nannte das »Guerilla Soundbombing«. Aus diesem Spaß ergaben sich Bookings für Hochzeiten und Street-Food-Festivals, später dann »richtige« Bühnen und schließlich die Debüt-LP. Doch Mündemann reichte sein Set-up nicht für die gehegten Ambitionen: »Ich traf während der Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule auf Jan Janzen (Heute Pianist/Keys der Band, Anm. d. Aut.). Noch auf dem Rückweg von der Prüfung haben wir entschieden, aus meiner One Man-Show eine Band zu machen. Er kannte ein paar Musiker*innen, ich kannte ein paar Musiker*innen und schnell hatten wir neun ­Leute zusammen.«

Diese Mannschaftsstärke braucht es, um die musikalischen Visionen von Mündemann umzusetzen, die sich zunächst im engsten Gravitationsfeld des Afrobeat-Revivals abspielten. »Unsere ­Alben »Little Child« und nun das neue Album »Like A River« veranschaulichen jetzt einen Lösungsprozess vom Afrobeat ganz gut«, so der Kopf der Gruppe, der darin generell die Entwicklung der Band erkennt. Dafür gibt er immer häufiger die Zügel aus der Hand. Das beginnt nicht nur bein den Arrangements, bei denen die Band sich mit zunehmender Vertrautheit mehr und mehr selbst verwaltet, sondern auch beim Songwriting: »Es gab und gibt aber immer auch Stücke die von der Bassist*in Luna Weise mitgebracht werden — zum Beispiel »Luna« auf dem neuen ­Album. Außerdem hat Benjamin Schneider, der Gitarrist, das erste Mal ein Stück beigesteuert: »Once I’ve Learned«.«

Man kann darin auch einen Reifeprozess eines Projekts erkennen, dass sich nicht in der ­ersten LP erschöpft, fortan seinen Sound verwaltet, sondern sich stetig weiterentwickelt. Womöglich haben dabei auch die Erlöse aus dem Youtube-Klick-Hit geholfen. Wieviel gab es für die halbe Million Klicks eigentlich? »Keinen Cent!« Immerhin hat der Online-Erfolg geholfen, Konzerte zu buchen und aus­zu­verkaufen; denn hier kommt unser Rat­schlag: Was schon auf Platte über­zeugt, ist live ein Ereignis.

muitokaballa.com