Andy Warhol, Crosses, ca. 1981/82, Siebdruck auf Acryl auf Leinwand Foto: Kolumba, Köln © VG Bild Kunst, Bonn

­Selbstverständlich außergewöhnlich

Die neue Jahresausstellung im Kolumba ist ein Highlight

Wie schnell sich Bedeutungen wandeln, entwickeln oder in eine gänzlich andere Richtung laufen können, davon durften und mussten wir uns in den letzten Jahren selbst überzeugen: Das Wort »Mitt­woch«, ewig der Name eines Wochen­tags, war plötzlich in der Verlosung zum Jugendwort des Jahres; abgeschnittene Haarsträhnen wurden Zeichen der Solidarität zur iranischen Protestbewegung; der Überfall Russlands auf die Ukraine führte dazu, dass wir den Buchstaben »Z« mit anderen Augen sehen.

In der aktuellen Ausstellung des Museum Kolumba, die den ebenfalls mehrdeutigen Namen »Wort Schrift Zeichen« trägt, hängt bereits am Ende der ersten großen Treppe ein großes »Z« im Raum 5. Die Künstlerin Dorothee von Windheim hat den hier ausgestellten Mauerputz mit dem Buch­staben bereits 1974 von der Außenwand der Fortezza da Basso in Florenz pflücken lassen. Damals war der Buchstabe, der in Italien noch Teil ­eines Arrangements um das Wort MAGAZZINO war, vor allen Dingen ein typografisches Highlight in seiner flachen Dreidimensionalität — 2023/24 jedoch denken wir eher an russische Staatspropaganda und einen neuen Faschismus. Unterstrichen wird diese semiotische Remodelierung durch ein anderes Exponat, das eine ähnliche Geschichte erzählt: Die Swastika war über Jahrtausende ein Sonnen- und Glückssymbol in einer Vielzahl von Gesellschaften zwischen Nordsee und Himalaya — hier sehen wir eine fast 2000 Jahre alte Version auf einem ägyptischen Zierfeld. Erst seit circa 150 Jahren nutzen europäische völkische Faschisten dieses Symbol für ihre eliminatorischen Zwecke, heute hat das Hakenkreuz  in weiten Teilen der Welt seine ehemalige Bedeutung verloren und steht ausschließlich synonym für die Gräueltaten des Nationalsozialismus.

Es sind solcherlei geschickte Verwebungen von Vergangenheit, Geschichte und Gegenwart, die, wie schon so häufig, die Jahresausstellung des Museums des Erzbistums Köln ausmachen. So eröffnet das Museumsteam um Kolumba-Direk­tor Stefan Kraus die Schau mit ­einem »Alphabet der Dinge«: Die Schenkung des Kölner Malers Werner Schriefers, ein Kom­pendium aus mehreren tausend Dingen, die Schriefers »Werk- und Formensammlung« nannte, wurde für die Ausstellung durchforstet und zu einem materialistischen Spiel um historische Produkte und ihre Namen zusammengestellt. Das beginnt, in Glasvitrinen präsentiert, mit der Reise­schreib­maschine ABC und endet bei der Nähmaschine Zig Zag.

Wie soll man sich eines Schmunzelns erwehren, wenn man zwischen den »Crosses« des homosexuellen — und tiefgläubigen — Andy Warhol steht und dabei durch das große Fenster ­Richtung Dom schaut?

Es wirkt wie eine eingeübte Choreografie, wenn man jährlich wieder­kehrend die heraus­ragende Qualität der Schau im Museum Kolumba lobt. Längst hat sich herum­gesprochen, dass das Team mit Verve, Fantasie, mit der Lust zur Referenz und auch zum humorigen Vergnügen Aus­stellungen wie »Wort Schrift Zeichen« kuratiert und hängt. Wie soll man sich eines Schmunzelns erwehren, wenn man im letzten Raum der Ausstellung zwischen den berühmten rot-gelben Siebdruck-»Crosses« des homo­sexuellen ­— und tiefgläubigen — Andy Warhol steht und ­dabei durch das große Fenster Richtung Dom schaut? Muss man nicht die anderswo als waghalsig empfundene  Entscheidung würdigen, den Kunst-Superstar Louise Bourgeois im Raum 8 auf die Bilder, Gedichte und Keramik der Kölner Künstlerin Susanne Kümpel treffen zu lassen? Während Bourgeois eine der bedeutendsten Künst­lerinnen des 20. Jahrhunderts ist, ist Kümpel eine bisher sträflich übersehene Künstlerin des inklusiven Kunsthauses Kat18 aus der Südstadt. Die Künstlerin mit und jene ohne Beeinträchtigung begegnen sich wie selbstverständlich auf Augenhöhe. Das kommt nicht von ungefähr: Im Kolumba arbeitet man schon seit längerem mit dem Kat18 zusammen und nivelliert die Trennung zwischen »typischer/normaler« Kunst und der lange als »Outsider Art« diffa­mierten Werke von Künst­ler*innen mit Behinderung oder Beeinträchtigung.

Gelegentlich hört man in der Kölner Stadtgesellschaft Stimmen, die das Kolumba Museum auf seinen ikonischen Zumthor-Bau reduzieren wollen und der Kunst im Gebäude eine nachrangige Rolle einräumen. Das Gegen­teil ist der Fall: Stefan Kraus und sein Team trotzen Jahr für Jahr dem freilich atemberaubenden Gebäude und es gelingt ihnen auch dieses Mal den perfekten Rhythmus aus Kunstwerken und Raum/Wand zu treffen. Chapeau für diese Leistung.

Kolumba

Kunstmuseum des Erz­bistums Köln
Kolumbastr. 4
»Wort Schrift Zeichen«
Mi–Mo 12–17 Uhr
bis 14.8.2024