Saubere Arbeit © Mastermind Ltd.

Perfect Days

Lob des Gemeinwohls und der Kleinigkeiten: Wim ­Wenders’ berührende Hommage an sein Idol Ozu

Hirayama reinigt öffentliche Toiletten in Tokio. Einer muss es tun, und im Stadtbezirk Shibuya mit seinen zum Teil spektakulären Sanitäreinrichtungen ist er gemeinsam mit einem etwas nervigen aber auch leidlich liebenswürdigen Assistenten bei der Arbeit. Hirayama nimmt seinen Beruf ernst: Jedes Klo wird systematisch gereinigt, auch an Stellen, auf die kaum jemand schauen wird. Es geht nicht darum, was man sieht, sondern um die Frage, was das Unsichtbare im Lauf der Zeit an Wirkung entfaltet. Gründlichkeit ist ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein, schließlich sind es nicht Hirayamas Toiletten, sondern die der Bewohner und Besucher Tokios. Bevor Hirayama mit seiner Runde beginnt und nachdem er sie beendet hat, kümmert er sich um seine eigenen Angelegenheiten, allen voran um seine Pflanzen, seine Bücher, seine Musik — und immer wieder auch um die Schatten seines früheren Lebens mit Menschen, von denen er sich nun fernhält, die sich ihm aber nicht für immer entziehen wollen...

Eigentlich sollte »Perfect Days« ein Auftragskurzfilm über architektonisch besonders reizvolle Tokioter Toiletten werden. Dann aber wurde das Projekt zu einem weiteren Versuch von Wim Wenders, seiner großen Inspirationsquelle Yasujiro Ozu filmisch näher zu kommen. Waren die ersten Versuche — Wenders’ »Tokyo-ga« von 1985 und Szenen von

»Bis ans Ende der Welt« aus dem Jahr 1991 — noch von einer enervierenden, weil naiven Faszination für Formalismen getragen, kommt er hier Ozu gewissermaßen von innen her näher. Hirayamas Freude am Alltäglichen, an strukturierendem Unsinn wie Listen — ganz generell am Durchschnittlichen — entspricht sowohl jenem Selbstbild Ozus, wie es dessen persönliche Notizbücher vermitteln, als auch dem, worum es in seinen eigenen Filmen geht: Kleinigkeiten, hinter denen sich Großes verbirgt, hinter denen sich wieder Kleinigkeiten zeigen. Das Leben als Nichtigkeit, gewaltig wie das All. Zu dieser Annäherung ans Idol gehört in »Perfect Days« auch, dass Hirayama hört, was Massen hören, und dass er liest, was Massen lesen — aber eben auch obskure Songs und rare Bücher liebt. Nichts Absolutes! So ist »Perfect Days« mal launig-minimalistisch, mal deutet er konventionelle narrative Motive an, dann zerfließt er im Aufgehen ­Hirayamas mit Shibuya... Der Film ist vieles zugleich und nie ganz. Und das ist wunderbar.

D/J 2023, R: Wim Wenders, D: Koji Yakusho, Tokio Emoto, Arisa Nakano, 125 Min.