Menschen auf der Flucht © Agata Kubis

Green Border

Agnieszka Hollands Spielfilm führt die Folgen ­europäischer Abschottungspolitik vor Augen

2021 lädt der belarussische Präsident Lukaschenko Flüchtende aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern dazu ein, Flugtickets nach Minsk zu lösen, um von dort über die grüne Grenze nach Polen zu gelangen. Auch Bashir und Amina aus Syrien ergreifen diese Chance, um mit ihren beiden Kindern und Bashirs Vater vor Assads Regime zu Verwandten nach Schweden zu fliehen.

Doch es läuft nicht nach Plan. Zwar bringen die Kontaktleute sie bis an die Stacheldrahtzäune, wo sie gegen Schmiergeld von belarussischen Soldaten auf die andere Seite verfrachtet werden, aber nur, um wenig später dem polnischen Grenzschutz in die Arme zu laufen. Der zwingt sie und andere Geflüchtete nachts wieder zurück nach Belarus. Ohne Wasser, Nahrung, Unterkunft oder ärztliche Versorgung sind sie in diesem Niemandsland gefangen und der Willkür der Soldaten und Grenzbeamten ausgeliefert.

Jan ist einer dieser polnischen Grenzbeamten, der von seinen Vorgesetzten eingeschärft bekommt, dass es sich bei den Geflüchteten nicht um Menschen handelt, sondern um Waffen, von Putin und Lukaschenko eingesetzt, um Europa zu schwächen. Nacht für Nacht versieht er seinen Dienst, bis er es kaum noch aushalten kann. Und dann ist da noch die Psychotherapeutin Julia, die nach einem Schicksalsschlag in die Wälder Ostpolens gezogen ist. Als vor ihren Augen ein Kind im Sumpf ertrinkt, schließt sie sich einer Gruppe Aktivist*innen an, die den in den Wäldern gestrandeten Menschen Essen, Wasser und Schlafsäcke bringt, ihre Wunden versorgt, aber nicht mehr für sie tun darf.

Mit »Green Border« legt die 75-jährige Agnieszka Holland den Finger in die Wunde: Gerne sähen sich die Europäer als Humanisten und Hüter der Menschenrechte, aber wie geht das mit der »Flüchtlingspolitik« der EU zusammen, den Leichen im Mittelmeer und an den Außengrenzen? »Green Border« schildert realitätsnah, welche Konsequenzen Abschottungspolitik und Pushbacks haben, die gegen Völker- und Asylrecht verstoßen. Polens bekannteste Filmemacherin hat in Fiktion verwandelt, was Journalist*innen und andere Beobachter*innen aus dem Grenzgebiet berichten. Von Politiker*innen der ehemaligen polnischen PiS-Regierung wurde sie dafür diffamiert, sie riefen zum Boykott des Films auf. Hollands »Green Border« zeigt, dass es keine einfachen, »guten« Lösungen für komplexe Probleme gibt und plädiert für etwas Altmodisches: Menschlichkeit. 

(Zielona granica) PL/F/CZ/B 2023, R: Agnieszka Holland, D: Jalal Altawil, Maja Ostaszewska, Tomasz Włosok, 147 Min.