Kunststoff im Überfluss

Plastic Fantastic

Isa Willinger dokumentiert den Kampf gegen ­Plastikmüll und die Argumente der Plastik-Lobby

Es gibt fünfhundert Mal mehr Plastikpartikel in den Ozeanen als Sterne in der Galaxie. Dennoch ist in den vergangenen 15 Jahren mehr Plastik hergestellt worden als in den 40 Jahren zuvor. Zu dieser Erkenntnis kommt Filmemacherin Isa Willinger. Besonders beeindruckt ihre umfassende ­Betrachtung des gesamten Problemkomplexes. Sowohl Umweltaktivist*innen, als auch Wissenschaftler*innen und Lobbyist*­­in­nen kommen in ihrer Doku zu Wort.

Mit Entsetzen erlebt man eine PR-Abgesandte der Plastikindustrie, die Grundschulen in Deutschland »Kunos coole Kunststoffkiste« ans Herz legt: Schüler*innen sollen lernen, das lukrative Produkt der petrochemischen Industrie wertzuschätzen. Ein darauffolgender Schnitt auf Kinder, die vor einem zugemüllten Fluss stehen, spricht eine andere Sprache. Der Fotojournalist James Wakibia hat dagegen mit seiner Aktion »Ban Plastic« erreicht, dass in Kenia seit 2017 Plastiktüten verboten sind. Die Ozeanografin Sarah Jeanne Royer sammelt regelmäßig Plastik an Stränden ein. Ihrer Ansicht nach würde bereits ein Verbot von Plastikflaschen einen enormen Unterschied machen.

Beeindruckend auch das Engagement einer pensionierten Lehrerin, die in ihrer überwiegend schwarzen, von Krebs heimgesuchten Gemeinde in Louisiana gegen die Ansiedlung einer weiteren giftigen Anlage und gegen Klimarassismus mobil macht. Demgegenüber stehen schwer erträgliche Aussagen von Lobbyisten der Kunststoffindustrie. Nicht nur wollen sie den Großteil der Verantwortung den Konsument*innen zuzuschieben, sondern uns zudem weismachen, dass eine Welt ohne Plastik auch dank Recycling unvorstellbar sei. Der Wissenschaftler Michael Braungart betont, dass die enormen Gewinne der Plastikindustrie zugutekommen, die Kosten und das gesundheitliche Risiko jedoch die Allgemeinheit trägt. Seiner Ansicht nach müsse man Alternativen suchen. In seinem »Museum der Zukunft« befinden sich ­hunderte von Produkten, die
die Umwelt wenig oder gar nicht belasten.

Bilder von gigantischen Mülldeponien, von Recyclinganlagen und Salzstockwerken, in denen kontaminierter Filterstaub aus Verbrennungsanlagen gelagert wird — man fühlt sich nicht erschlagen von Willingers Film, weil er auch Menschen zeigt, die unseren Planeten nicht widerstandslos den Gierigen und Mächtigen überlassen wollen. Frei nach Shakespeare: »Unser Schicksal hängt nicht von den Sternen ab, sondern von unserem Handeln.« 

D 2021, R: Isa Willinger, 102 Min.