Mary-Audrey Ramirez, Happy Face (Parasites), 2023 | Peaking, 2023 Jessi Reaves, Diagonal Rain Sports Chair, 2019, © Mary-Audrey Ramirez und courtesy Martinetz, Köln; Jessi Reaves und courtesy Herald St, London; Foto: Privat

Wo ist Zuhause, Mama?

Im Haus Mödrath wird das Heim zum wahren Horror

In der Nähe von Kerpen-Horrem blitzt ein altes Herrenhaus zwischen Bäumen hervor, das sich durch eine wechselhafte Geschichte auszeichnet: Es war Wöchnerinnen- und Kinderheim, NS-Ausbildungsstätte, Unterkunft für Geflüchtete der Nachkriegsphase und ganz zu Beginn war es Sitz einer Unternehmerfamilie. Heute ist es wieder in Privatbesitz, der im Anonymen weilende Eigentümer hat das Haus Mödrath zu einem der interessantesten ­Privatmuseen der Region ausgebaut — und bietet der Kunst ein Zuhause. Doch was bedeutet ­»Zuhause« eigentlich?

Gesine Borcherdt kuratiert ­bereits die zweite Ausstellung in Kerpen (nach »Dream Baby Dream«, 2020) und hat sich dem ambivalenten Thema »Zuhause und Heim« angenommen. Unter dem Titel »Home is where you’re happy« hängt, stellt und legt sie stimmungsvoll Arbeiten der renommierten Künstler*innenschaft. Beim Gang durch das Haus befällt die Besucher*innen das Gefühl, die Geister der Vergangenheit ­seien erwacht; dann etwa wenn Ludovic Beillards augenlose Puppen wie tot in einer nachgestellten Wohnung liegen. Mary-Audrey ­Ramirez hingegen schafft stoffliche Kreaturen, die wie von einem Schneesturm erfasst jeglicher ­Farbe entbehren, Albträumen entsprungen sein könnten und durch Bilder von KI-generierten Hybridwesen ergänzt werden.

Unterstrichen wird der beklemmende Eindruck der Ausstellung durch die oftmals verwendeten Materialien, die dem häuslichen Kontext entnommen sind. Doch im scheinbar Vertrauten, dem wohlig warmen Zuhause, lauert plötzlich etwas Unbekanntes — was Freud zum Begriff des ­unHEIMlichen brachte.
Die sonst so freundschaftlich verbundenen Möbel fühlen sich seltsam und fremd an, rücken nun mehr als Eindringlinge und nicht länger als stumme Zaun­gäste von den Wänden beengend nah heran. Gleich Ketten legen sich Gürtel um die Schneider­puppe von Alexandra Bircken, aus leerer Leinwand dringt an ­einer Ecke dunkle Unwucht bei Leda Bourgogne, und im Raum von Gregor Schneider liegt ein lebloser Körper auf dem Boden.

Jede geöffnete Tür gibt den Blick auf böse Überraschungen frei, fabriziert ein neues Unwohlsein. Die mitunter funktions­befreiten Designstücke des sehr präsenten Sam Chermayeff ­deuten stets nur Heimeligkeit
an und lassen uns dann doch im Stich. Als Besucher*innen wird man schließlich zu Traumwandelnden, die das unheimliche und den beklemmenden Horror des Heims, das keines
ist, spüren. 

Haus Mödrath, An Burg Mödrath 1, Kerpen, »Home is where you’re happy«, bis 25.8.; Sa & So 12–18 Uhr