Intellektueller Rassismus © Grandfilm Chaz Productions

Rückkehr nach Korsika

Catherine Corsinis Selbstfindungsdrama weckt ­Sehnsüchte — auch nach Sonne, Strand und Meer

Den Sommerfilm überschattet ein Skandal. Regisseurin Catherine Corsini wurde zu den Filmfestspielen in Cannes ein-, dann aus- und schließlich wieder eingeladen, um »Rückkehr nach Korsika« zu präsentieren. Eine Masturbationsszene mit einer minderjährigen Schauspielerin war nicht von der Kinderschutz-Kommission genehmigt worden, woraufhin der Film einen Großteil der Förderung verlor. Auch kursierten Gerüchte über Corsinis tyrannisches Verhalten am Set und sexuell über­griffige Team-Mitglieder. Corsini und Produzentin Elisabeth Perez wiesen die Gerüchte zurück und machten einen Administrationsfehler dafür verantwortlich, dass die umstrittene Szene nicht genehmigt worden war. Die 15-jährige Schauspielerin Esther Gohourou sagte, es sei nur ihr Gesicht im Bild gewesen. Die Szene wurde herausgeschnitten, und doch gab es Kritik an Corsinis Festival-Teilnahme. Zeichen dafür, dass der Blick auf die Arbeitsbedingungen in der Filmindustrie, berüchtigt für Fremd- und Selbstausbeutung, genauer geworden ist? Oder bloße Diffamierung?

Corsinis Image wirkt angekratzt, zumal sie für Filme bekannt ist, die Klassenunterschiede, Machtgefälle und Missbrauch ins Visier nehmen, wie etwa in »Die Affäre« oder »Eine unmögliche Liebe«. Auch in »Rückkehr nach Korsika« demaskiert sie den latenten Rassismus und Paternalismus der wohlhabenden intellektuellen Linken, wenn sich der linksliberale Hausherr den Namen seines Kindermädchens nicht merken kann oder ihrer Tochter, die an der renommierten Pariser Sciences Po studieren wird, gönnerhaft seine Hilfe anbietet. Aber hauptsächlich geht es im Film um beglückende, erdrückende oder gekappte familiäre Bindungen.

Kindermädchen Khédidja nimmt das Angebot ihrer Pariser Arbeitgeber an, den Sommer mit ihnen auf Korsika zu verbringen. Ihre Teenager-Töchter Jessica und Farah nimmt sie mit. Für die drei ist es eine Rückkehr, auch wenn die Mädchen sich nicht mehr daran erinnern, auf der Insel gelebt zu haben, denn als Khédidja Korsika fluchtartig verließ, waren sie noch sehr jung. Im Laufe des Sommers werden die drei mit Familiengeheimnissen konfrontiert, die das Zeug haben, ihre eingeschworene Gemeinschaft zu zerstören. Das Familien- und Selbstfindungsdrama vor Traumkulisse hat nicht die Kraft wie »Die Affäre«, gewinnt aber dank starker Hauptdarstellerinnen.

(Le Retour) F 2023, R: Catherine ­Corsini, D: Aïssatou Diallo Sagna, Suzy Bemba, Esther Gohourou, 106 Min.