Genialer Plan

Die Missetäter

Rodrigo Morenos außergewöhnlicher Heist-Movie fragt nach dem Rest des Lebens

Nie mehr Lohnarbeit verrichten müssen — das ist den Preis von dreieinhalb Jahre Haft allemal wert. Das findet jedenfalls der Protagonist von »Die Missetäter«, der alleinstehende Bankangestellte Morán, der nüchtern einkalkuliert, dass man ihn bald für den Diebstahl von 650.000 Dollar zur Rechenschaft ziehen wird, der ihm durch die altertümlichen Abläufe am Arbeitsplatz denkbar leicht gemacht wird. Folgerichtig ist seine Anspannung während der Tat geringer als danach — weshalb das Kinopublikum womöglich erst, wenn der untersetzte Glatzkopf nervös durch die Innenstadt von Buenos Aires eilt, realisiert, dass der wunderbar unspektakuläre Coup schon vollendet ist.

Das heißt wiederum, dass der 1972 geborene Argentinier Rodrigo Moreno, von dessen Filmen bisher nur »Der Leibwächter« 2007 einen deutschen Kinostart hatte, bei seiner vierten alleinigen Spielfilmregie alle Regeln des Heist-Movie-Genres mit Gelassenheit unterläuft. Dazu gehört auch, dass der kriminelle Plan, den sein Drehbuch peu à peu offenbart, ein verblüffendes Manko aufweist: Um die Unauffindbarkeit der Beute während der absehbaren Haft zu gewährleisten, weiß Morán nämlich keine bessere Lösung, als den Kollegen Román gegen eine 50-prozentige Beteiligung nachträglich zur Komplizenschaft zu nötigen.

Das Mäandern der Handlung, das unaufdringlich durch Stilmittel des 70er-Jahre-Kinos akzentuiert wird, spiegelt die Unausgegorenheit solcher Entscheidungen. Allerdings blitzt dabei zugleich das Versprechen von Freiheit auf, das das gestohlene Geld mit sich bringt und das die beiden kauzigen Männer nacheinander in die malerische Landschaft der Sierras de Córdoba führt. Dass die Namen zweier Schwestern sowie eines Filmemachers, die dort leben, dasselbe Anagramm variieren wie »Morán« und »Román«, spitzt indes verspielt die Frage zu, die bereits zu Beginn des Films durch zwei Bankkund*innen mit identischen Unterschriften aufgeworfen worden war: Inwieweit wird das einzelne Leben durch entsprechend vordergründige Vorzeichen bestimmt? Oder aber durch ganz andere Faktoren? In denselben Zusammenhang gehört jedenfalls, dass Morán im Knast prompt seinem Chef wiederbegegnet — zumindest im übertragenen Sinne, da dessen Darsteller auch einen Häftling verkörpert, der den Neuankömmling sogleich schikaniert.

(Los delincuentes) RA/RCH/BR/L 2023, R: Rodrigo Moreno, D: Daniel Elias, Esteban Bigliardi, Margarita Molfino, 190 Min.