Herrenclub mit blinden Flecken

Nicole Seifert beleuchtet die Frauen der Gruppe 47

Im Oktober 1958 ist die Autorin Ruth Rehmann zum Treffen der »Gruppe 47« in Großholzleute im Allgäu eingeladen. Als sie mit ihrem Manuskript in der Hand nach vorne zu dem Tisch geht, an dem sie neben dem Gründer der Gruppe, Hans Werner Richter, lesen soll, raunen sich in der ersten Reihe zwei Herren Kommentare zur sexuellen Attraktivität der Autorin zu. Während Rehmann dann liest, knallt ein Gehstock zu Boden. Sein Besitzer ruft erbost, mitten in die Lesung der Autorin: »Noch ein bis­schen durchgefeilt und die Sache wäre grade recht für die Grüne Post.«

Die Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin und Autorin ­Nicole Seifert hat für ihr neues Buch »Eini­ge Herren sagten etwas dazu« eine beeindruckende Materialfülle stu­diert, mit der sie eine Leerstelle füllt: die der Autorinnen der »Grup­pe 47«. 1947 war dieser lose Zu­sam­menschluss von Autor*innen und Kritiker*innen angetreten, um eine deutschspra­chige Nachkriegs­literatur zu begründen. Schriftstel­ler, die ins Exil gegangen waren, lud man nicht ein, weibliche selten, und die wenigen Frauen, die dabei waren, verschwieg die deutsche Literaturgeschichtsschreibung weitgehend. Die beiden Aus­nah­men sind Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann, von der Seifert sich das Zitat für ihren Buch­titel leiht.

In schlankem Erzählton untersucht Seifert die Auftritte von Ruth Rehmann, Ingrid Bachér, ­Ingeborg Drewitz, Barbara König, Gabriele Wohmann, Gisela Elsner, Chris­tine Koschel, Christa Reinig, Griseldis L. Fleming, Helga M. ­Novak und Elisabeth Borchers ­sowie ­Elisabeth Plessen, Barbara Frischmuth und Renate Rasp. Dabei wech­seln Seiferts Erzählmodi kunstvoll von literaturkritischer Synopse zu unmittelbar einfühlender Nacherzählung des Erlebens der Autorinnen, basierend auf Interviews und Selbstzeug­nissen, bis hin zu Fotos von den Tagungen.

Auch wenn man dem Buch in der ästhetischen Untersuchung der Primärtexte mehr Tiefgang wünscht, sind die analytischen Passagen stark, weil sie differenziert die Ambivalenzen der Literaturrezeption in der »Gruppe 47« betrachten — so wie bei Ruth Rehmann. Als sie im Oktober 1958 ihr Manuskript des Romans »Illusionen« vorstellte, wurde es durchaus gelobt. Aber es verblasste neben der Strahlkraft, die ihrem Kollegen Günter Grass zugeschrieben wurde. Er las nach ihr aus »Die Blechtrommel«.

Nicole Seifert: »Einige Herren sagten etwas dazu. Die Autorinnen der Gruppe 47«, KiWi, 352 Seiten, 24 Euro