Törtchen, Törtchen, Törtchen... Matthias Ludwigs am Arbeitsplatz in Riehl

»Mach, worauf Du Bock hast«

Matthias Ludwigs von »Törtchen Törtchen« hat ein Patisserie-Buch herausgebracht. Ein Gespräch über Konditorei-Klassiker und der Scheu vorm Backen

Herr Ludwigs, in Ihrem neuen Buch »Die Konditorei — 50 Backrezepte« präsentieren Sie Klassiker wie Prinzregententorte, Schwarzwälder Kirsch oder Schillerlocken — und stellen jeweils eine innovative Variante gegenüber. Was war für Sie leitend?

Für die Klassiker habe ich zunächst ein ursprüngliches Rezept gesucht — was schon schwierig sein kann, aber meist sind in den alten Büchern immerhin die Komponenten gleich — obwohl ich auch ein altes Rezept für Frankfurter Kranz mit Kaffee-Buttercreme gefunden habe! Ich habe dann für die neuen Interpretationen oft nur Details verändert. Was soll man an Schillerlocken ändern? Ich habe eine intensivere Creme statt Sahne genommen und noch etwas Karamell dazugegeben. Es ging mir nicht darum, es unbedingt völlig anders zu machen.

Was mögen Sie an den Klassikern?

Sie sind alle einfach strukturiert. Nehmen Sie Schwarzwälder Kirsch: Kirschen und Schokolade — perfekt! Kirschen und Kirschwasser, Schokolade als Boden und als Streusel. Wenn das Verhältnis stimmt, ist es großartig. Aber was bekommt man heute? Viel Sahne, ein bisschen Kirschen und dann einen fünf Millimeter dicken Schokoladenboden — und noch einen Mürbeteig drunter, damit es stabil ist. Das Ding schmeckt nicht nach Schwarzwälder Kirsch, das heißt nur so.

Der Ruf vieler Klassiker hat ge­lit­ten, der Frankfurter Kranz...

... ist der vielleicht am meisten verhunzte Klassiker! Schrecklich! Das ist nur noch Fett mit Boden und Krokant.

Aber es geht auch lecker?

Auf jeden Fall! Der Grund für den schlechten Ruf vieler Klassiker ist, dass die wenigsten Läden sie gut anbieten. Auch nicht jede Konditorei übrigens.

Der Grund für den schlechten Ruf vieler Klassiker ist, dass die wenigsten Läden sie gut anbieten

Wie es besser geht, erfährt man auch, wenn man selbst backt. Aber viele scheuen sich, zu Hause Herrentorte oder Lübecker Marzipantorte  zu backen.

Backen ist gegenüber Kochen vielleicht ­zeitlich aufwändiger — aber doch nicht schwieriger! Ein Fehler wäre, alles hintereinander machen zu wollen. Bei Holländisch Kirsch etwa kann ich einen Tag vorher den Blätterteig backen und die Füllung machen. Am anderen Tag brauch ich nur die Sahne schlagen und baue die Torte zusammen.

Okay, aber in einem Ihrer Rezepte heißt es: 165 Grad Umluft — da denkt man doch: Hm, bei 170 Grad funktioniert’s nicht.

Nein! Man kann alles um ein paar Prozent nach unten oder oben variieren. Das ist beim Kochen nicht anders: Wenn ich im Rezept lese: Auf jeder Seite zwei Minuten an­braten — und nach einer halben Minute wird es schon dunkel, dann dreh ich es doch bald um, oder?

Sie waren in der Graugans, bei ­Dieter Müller, auf der MS Europa. Sie kennen die Arbeit in der Konditorei und auch in der Spitzenküche. Wo liegt der Unterschied?

In der Konditorei suchen die Menschen Entspannung, sie wollen nicht gefordert werden, wollen das, was sie kennen. Wer aber 200 Euro für ein Menü ausgibt, der will überrascht werden, will das Außergewöhnliche.

Wie ist das bei Ihren Läden, den »Törtchen, Törtchen«-Cafés?

Auch, wenn wir etwas Außergewöhnliches in die Theke stellen, wird das gekauft — aber eben nicht so oft  wie das, was die Leute schon kennen. Es gibt diesen Mainstream-Geschmack.

Sie haben auch die »Schmelzpunkt«-Eisläden. Geht es da auch meist um Erdbeer-Schoko-Vanille?

Eis ist etwas anderes! Eis kauft jeder für sich selbst. Wenn ich unten eine Sicherheitskugel Schokolade habe, kann ich oben etwas ausprobieren. Törtchen hingegen kauft man selten für sich selbst. Die bringt man mit. Der Schwiegermutter-Faktor: Man kauft etwas und möchte, dass es anderen schmeckt. Dann kauft man nichts mit Sanddorn, Estragon oder Rosenwasser.

Was wollen Sie erreichen mit Ihrem Konditorei-Buch?

Mir geht es darum, dass man sich beide Rezepte durchliest, die klassische und die innovative Version — und dann eine eigene entwickelt.

Ein Aufruf, zu improvisieren?

Ja, klar! Ich will zeigen: Lass Dich inspirieren, und dann nimm einfach die Komponenten, auf die Du Bock hast! Wenn Dir das zu viel Sahne erscheint, nimm die Hälfte.

Matthias Ludwigs / Johannes J. Arens, Die Konditorei, Christian-Verlag 2024, 29,99 Euro. Lesungen samt Verkostung: 16.4. Buchladen Neusser Straße (Neusser Str. 197); 23.04. Klinski (Aachener Str. 529), 25.4. Buchsalon Ehrenfeld (Wahlenstr. 1), jeweils 19.30 Uhr