Kampfzone mit schöner Aussicht: Südseite der Hohenzollernbrücke

Herr Rathmann geht

Kölns erster Fußgängerbeauftragter hat hingeschmissen

Kölns erster »Fußverkehrsbeauftragter« wirft hin: Keine zwei Jahre, nachdem er seinen Posten bei der Stadt Köln angetreten hatte, hat Nico Rathmann gekündigt. Seine Stelle war geschaffen worden, um die Situation der Fußgänger im Kölner Verkehr zu verbessern. Rathmann sollte etwa eine gesamtstädtische Fußverkehrsstrategie erarbeiten, aber auch ­Ansprechpartner für Anregungen von Bürgern sein.

Dass Kölns Kümmerer für den Fußverkehr, der sich zu seinem Abgang selbst nicht äußert, nach kurzer Zeit hinschmeißt, sagt viel über den Stellenwert des Fußverkehrs in Köln aus. So jedenfalls sieht es Anne Grose. »Er ist gegangen, weil er unzufrieden war mit den Ergebnissen seiner Arbeit«, sagt die Kölner Sprecherin von FUSS e.V., dem Interessensverband der Fußgänger. Rathmann sei zwar öffentlich sehr sichtbar gewesen. »Das hat den Eindruck hinterlassen, dass er viel tun könne für den Fußverkehr.« Doch Rathmann sei mit Ansprüchen konfrontiert worden, die er als Einzelperson nicht erfüllen konnte, sagt Grose. »Ein Fußgängerbeauftragter muss strukturell arbeiten können. Ein Fußwegenetz auf­stellen, Vorgaben für Zebrastreifen oder fußgängergerechte Ampelschaltungen erarbeiten.« Auch habe es Rathmann an Entscheidungskompetenzen gefehlt, so Grose. »Fußverkehr hat in der Verwaltung, aber auch in der Politik weiterhin keinen großen Stellenwert — abgesehen von einzelnen Personen aus unterschiedlichen Parteien.«
Zu ihnen zählt Regina Börschel. Sie sitzt in der Bezirksvertretung Innenstadt und forderte als eine der Ersten eine Stelle für den Fußverkehr in der Stadtverwaltung. »Dass der Fußgängerbeauftragte die Stadt Köln verlässt, zeigt die strukturellen Probleme der Stelle auf«, sagt Börschel. Auch die SPD-Politikerin zeichnet das Bild eines Einzelkämpfers, der mit vielen Aufgaben sowie wenigen Ressourcen und Kompetenzen hängen­gelassen wurde. »Die Stelle war von vornherein schief aufgehängt«, so Börschel. Stadtspitze und Politik hätten sich damit zufrieden ­gegeben, eine Stelle geschaffen zu haben. »Das war auch ein Stückweit ein Alibi, um sagen zu können: Wir machen doch was!«


Die Stelle war auch ein Alibi, um sagen zu können: Wir machen doch was!
Regina Börschel, SPD

Gerade in ihrem Stadtbezirk habe es jüngst viele Projekte gegeben, die sowohl den Rad- als auch Fußverkehr betreffen. Börschel nennt die Beispiele Deutzer Freiheit, Eigelstein, Ehrenstraße oder Trankgasse. Dass der Fußverkehr keine starke Stimme in der Verwaltung hat, merke man an den Ergebnissen in Verkehrs- und Stadtplanung. »Die Diskussion um die Erweiterung der Hohenzollernbrücke ist ein gutes aktuelles Beispiel«, sagt Börschel. Fußgänger, vor allem Tausende Touristen, und Radfahrer konkurrieren dort um wenig Platz. »Das schreit nach einem starken Fußgängerbeauftragten.« Für Börschel zeigt sich an den vielen aktuellen Aufgaben auch die Dringlichkeit des Postens an sich: »Die Stelle ist nicht obsolet — ganz im Gegenteil.«
»Es geht um eine verbindliche und frühzeitige Beteiligung bei Neuplanungen, aber auch um den Bestand«, sagt Anne Grose von FUSS e.V. über die Aufgaben eines Fußverkehrsbeauftragten. Zum Beispiel bei Ampelphasen, die in einer älter werdende Gesellschaft nicht mehr adäquat geschaltet ­seien, oder beim Thema Gehwegparken. Sie betont die Besonderheiten der eigenen Füße als Fortbewegungsmittel: »Fußverkehr
ist oft nicht zielorientiert. Man geht zwar von A nach B, aber man schlendert auch, ist kommunikativ miteinander«, sagt Grose. »Man kann den Fußverkehr nicht planen wie andere Verkehrsarten.«

Laut Unfallstatistik, die die Kölner Polizei im März vorstellte, wurden allein 2023 in Köln 14 Fußgänger bei Verkehrsunfällen getötet. Der Großteil war über sechzig, die meisten der Unfälle galten als »selbst verschuldet«. Für FUSS e.V. liegt das auch an fußgängerfeindlicher Infrastruktur, die den Verkehrsteilnehmern mit dem wenigsten Schutz, ­darunter viele alte Menschen, Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Kindern, keine Fehler verzeiht. »Aber bislang scheint kaum jemand das eine mit dem anderen in Verbindung zu setzen«, sagt Grose.

Grose und Börschel betonen, dass der Abgang von Nico Rathmann eine Chance für den Fußverkehr in Köln sein könnte — aber nur, wenn man die Stelle nicht bloß, wie angedacht, nachbesetzt. »Es wäre ein Statement, wenn man die Abteilungen für Rad- und Fußverkehr strukturell identisch aufbauen würde«, sagt etwa SPD-Politikerin Börschel. Groses Verein will Politik und ­Verwaltung Empfehlungen geben, wie man den Fußverkehr attraktiver und sicherer machen könne. »Wir wollen vor allem inhaltlich Stellung beziehen. Aber es braucht auch mehr Stellen und Kompetenzen«, sagt Grose. Längst aber buhlen auch andere Städte um das knappe Fachpersonal. Die Stadt Bonn hat gerade eine Stelle für den Fußverkehr neu besetzt: Nico Rathmann wird sich dort künftig um das Thema Schulwege kümmern.