Tagträme jenseits des Krieges: »Non-existent«

Kriegskomödie

Natalka Vorozhbyt setzt ihre Beschäftigung mit dem Ukraine-Krieg in »Non-existent« am Theater Essen fort

 

Geht das, jetzt eine Komödie über den Ukraine-Krieg zu schreiben? Es ist ein extrem schmaler Grat, aber wenn es jemand es schaffen kann, dann Natalka Vorozhbyt. Die renommierte ukrainische Dramatikerin ist Mitbegründerin des 2022 im Krieg eröffneten »Teatr Dramaturhiw«, des Autor*innentheater Kiew. Vorozhbyt setzt sich seit Jahren, meist in dokumentarischen Formaten, mit den russischen Angriffen auf die Ukraine auseinander.

Und ja, mit »non-existent« hat sie ein verblüffend lustiges Stück verfasst. Dessen Uraufführung von Regisseur Andreas Merz-­Raykov, Deutsch mit ukrainischen Untertitel, ist in der Casa des Schauspiels Essen zu sehen. Mit dabei: Ein für den Krieg viel zu ängstlicher Fake-Soldat; Olaf Scholz als Gott der Waffen — und des Paternalismus; ein traumatisierter Kater (Jan Pröhl), der in klugscheißerischer Katzenlogik alles sagen kann, was aus Menschenmund zu kitschig, zu ehrlich, zu real, zu widersprüchlich klänge; und natürlich die drei nach Deutschland geflüchteten, schlagfertigen, angenehm fehleranfälligen Hauptfiguren, Großmutter, Mutter und Tochter, gespielt von Ines Krug, Sabine Osthoff und Beritan Balcı.

Wie die Autorin selbst und wie letztlich alle Ukrainer*innen hier im Publikum, müssen die ­fiktiven Protagonist*innen in »non-existent« jederzeit mit schrecklichen Nachrichten von Zuhause oder der Front rechnen. Zugleich kämpft jede von ihnen mit ihren eigenen Dämonen, die schräg metaphorisch die ­Widersprüche und Abgründe  der Gesamtsituation spiegeln.

Die Älteste, Marija, kämpft mit ersten Anzeichen von Demenz und verknallt sich ganz teenagerhaft in einen Nachbarn. Deren Tochter Orysja lässt in sinnfreiem Aktionismus aus der Ferne ihre Kiewer Wohnung renovieren. Die jüngste, Daryna, 15 Jahre, ist einsam in der neuen Schule und voller Wut auf die Welt. Sie phantasiert sich, zu flackerndem Neonlicht ins Mikrofon flüsternd, in heftige Gefechts- und Foltersituationen.

Diese Tagträume bleiben die einzigen wirklichen Kriegsepisoden in »non-existent« — ein kluger Schachzug, um den realen Krieg zu thematisieren, aber nicht auf der Bühne zu reproduzieren. Regisseur Merz-Raykov und Dramaturgin Margrit Sengebusch drehen den Humor der Autorin, wo nötig, noch einen Zacken weiter, zeigen schnelle Szenen ohne ­aufgesetzten Komödien-Habitus. Mitten im Lachen wird es möglich, den russischen Angriffskrieg in seiner Monstrosität neu zu durchdenken.

Theater Essen, Casa, 7. & 25.4., 19 Uhr