Computerhacken als Performance: »Spy Girls«

777 Tage Krieg

Das Theaterfestival »Fokus Ukraine« zeigt künstlerische Perspektiven aus der Ukraine und dem europäischen Exil

 

Das renommierte Lesya Theater in Kiew ist das einzige, das aktuell arbeiten darf: Dort gibt es Aus­gänge zur U-Bahn. Im Fall eines ­russischen Luftangriffs sind alle Zuschauer*innen innerhalb von zwei Minuten in Sicherheit. »Manchmal kommen die Schauspieler mit runter und unterhalten die Leute, singen irgendwas, tanzen, tragen Gedichte vor. Und danach gehen wir alle in den Saal zurück und setzen die Vorstellung fort«, erzählt Regisseur Andriy Ryabin in der NDR-Doku »Zwischen Exil und Front — ­Ukrainische Kulturschaffende«.

Eine seltsame Vorstellung in Friedenszeiten, dass der Theaterabend im Luftschutzbunker endet. 777 Tage wird dort, in der Ukraine, bereits Putins Angriffskrieg andauern, wenn am 11. April das interdisziplinäre Festival »Fokus Ukraine« am Schauspiel Düsseldorf beginnt. »Vielstimmige künstlerische Positionen aus der Ukraine und dem europäischen Exil« sollen dort auf der Bühne gezeigt werden — kuratiert von Festivalleiterin Birgit Lengers und Stas Zhyrkov. Seine aktuelle Inszenierung »Die Orestie. Nach dem Krieg« wird neben der »Odyssee« (auf der Shortlist des Theatertreffen 2024) ebenfalls im Programm gezeigt.

Aber auch das Chorstück »Mothers — A Song for Wartime« der polnischen Regisseurin Marta Górnicka, eine energische Anklage gegen den Krieg, gemurmelt, gestampft, gesungen von 21 Frauen, die meisten aus der Ukraine geflüchtet. Eigens aus der Ukraine angereist, kommt das Left Bank Theatre, das am Tag des russischen Überfalls mit dem Proben zu »Hamlet« beginnen wollte: Aus dem Stück wird »HA*L*T«, eine Aufführung, die nie stattgefunden hat. Das Golden Gate Theatre aus Kiew zeigt »Love me, don’t leave« über die Blumenhändlerin Katya, die aus dem Land flieht, während ihr Sohn sich — ohne den Krieg wirklich zu verstehen — freiwillig zum Fronteinsatz meldet.

Eine der spannendsten Gäste beim Festival: Magda Szpecht, preisgekrönte Theaterregisseurin, die sich nach Kriegsbeginn den Cyber Elfs anschließt, einer Gruppe von Aktivist*innen aus verschiedenen Ländern, die die Ukraine an der digitalen Front unterstützen. Ihr Drama »Spy Girls« erzählt von einer wahren Begebenheit. Die Aktivist*innen hackten die Dating-App Tinder, um mittels gefälschter Profile mehr über die Motive der russischen Soldaten in den besetzten Gebieten zu erfahren — aber vor allem deren militärischen Ziele und Standorte.

Schauspiel Düsseldorf, Programm unter: dhaus.de/programm/a-z/fokus-ukraine