Strahlen, auch wenn es draußen noch so dunkel ist: Sparkling

Musik in Alarmbereitschaft

Die Kölner Band »Sparkling« hat ihre zweite EP herausgebracht.

Sie machen die Musik zur Zeit: schnell, wütend und intelligent.

 

In dem fensterlosen Raum ist es taghell. Im grellen Kunstlicht musiziert die Band Sparkling. Wer eintritt, muss erst einmal die Augen zusammenkneifen. Kölns Postpunk-Wunderkinder proben in einem bunkerähnlichen Gebäudetrakt im Mülheimer Osten gegenüber einer Bahntrasse. Er beherbergt neben Asia-Imbiss und Getränkemarkt gut zwei Dutzend Probe-räume und hat wie alle diese mit Eierkartons ausgekleideten Betonklötze eine zugleich triste wie verheißungsvolle Aura. Die hier probenden Bands werden meist nur von ihren Freunden gekannt, wenige schaffen den Sprung über die Stadtgrenze hinaus. Sparkling könnte das gelingen. London haben sie schon erobert. 

 

Luca Schüten und die Brüder Levin und Leon Krasel haben an der Decke Neonröhren montiert, die den knapp 20qm-großen Raum in gleißendes Licht tauchen: »Dann wissen wir nicht, ob Tag oder Nacht ist. So sind wir immer hellwach«, erklärt Levin. Wach ist auch ihre Musik. Sie wirkt tatsächlich, als sei sie so hochentzündlich wie das Phosphor in den Leuchtstoffröhren.

 

Die drei Musiker sind Anfang Zwanzig. Leon ist Schlagzeuger und mit 23 der Älteste, er schließt gerade sein VWL-Studium ab. Sein Bruder Levin, Sänger und Gitarrist, steckt im zweiten Semester seines Studiums an der KHM, Bassist Luca will im Herbst ein Philosophiestudium beginnen. Für alle aber ist klar: die Musik steht im Vordergrund. Und das nimmt man ihnen sofort ab. Seit der Gründung im Jahr 2012 arbeiten sie stetig und mit großer Ernsthaftigkeit an ihrem musikalischen Output. Letztes Jahr gingen die drei für sechs Monate nach London, quartierten sich in eine runtergekommene Einzimmerwohnung ein, jobbten in Clubs und Imbissen und spielten abends Konzerte. Ihr Einsatz wurde belohnt: Sie kamen bei den Londonern gut an, und ihre am klassischen Postpunk orientierte Musik ist jetzt schon ausgereift und eigenständig. Die Band befindet sich bereits in ihrem eigenen Fahrwasser. Und das hat mitunter reißenden Charakter. Denn ihre Musik ist schnell, kompromiss- und atemlos. 

 

Man könnte sie hypervigilant nennen. Hypervigilanz bezeichnet in der Psychologie eine durch Drogen oder Schlafentzug induzierte erhöhte Wachsamkeit, man spricht bei dem starken Erregungszustand von einer Art Daueraufmerksamkeit. Um diesen Eindruck zu vermitteln, braucht die Musik außer Tempo nicht viel: Reduktion ist das Geheimnis. Gitarre, Schlagzeug, Bass, alles ohne Effekte gespielt. Der nervös-kontrollierte Postpunk im Stile der Gang Of Four, Wire und den Buzzcocks trifft dabei auf eine Virtuosität, die sich aus improvisierter Musik speist. Levin etwa hat viel von dem Kölner Jazzgitarristen Tobias Hoffmann, den man vom Improv-Kollektiv Klaeng und den formidablen Expressway Sketches kennt, gelernt. Schnelle Passagen, Breaks und vertrackte Rhythmen sorgen unablässig für Spannung. Sparkling ist Musik in Alarmbereitschaft. Dazu der Gesang von Levin, der den Laddism à la Jamie T oder Mike Skinner pflegt, aber auch mal bei Grandmaster Melle Mel klaut. Passagenweise stimmen die anderen mit ein und peitschen mit ihrem Unisono die Musik voran.

 

Die Dynamik dieser Musik scheint das Tempo der Ereignisse der vergangenen Monate aufzunehmen. Die im Juni als Video veröffentlichte Single »Something Like You« ist der Song dieses Sommers. Wut und Unverständnis brechen aus jedem Break und aus jeder Zeile hervor. Wem diese Wut gilt, geht nicht explizit aus dem Text hervor. Aber »jeder weiß, wer gemeint ist«, stellt Leon klar. Islamistischer und rechtsradikaler Terror, Trittbrettamokläufer, die Renaissance der Rechten in Europa, der Brexit, ein Irrer als amerikanischer Präsidentschaftskandidat — all das scheint in Sparklings Texten verhandelt zu werden. Die drei schreiben die Texte gemeinsam und man merkt, dass sie von allen zu 100% getragen werden. Und mit ihren Videos, die sie mit Hilfe von Levins Studienkollegen von der KHM gedreht haben, beweisen sie einen doppelbödigen Humor und geben ihrer Musik eine leichtfüßige Note. »This Is Not The Paradise They Told Us We Would Live In« heißt ihre neue, zweite EP, auf der die Single der Opener ist. Die drei Jungs haben sie in Berlin mit Moses Schneider produziert. Sie verstanden sich auf Anhieb mit dem Produzenten-Star der deutschen Indie-Szene (Schneider hat u.a. mit Tocotronic, Fehlfarben und Turbostaat gearbeitet) und nahmen die vier Stücke live in dem zur Zeit angesagten Neuköllner Wohnzimmerstudio Chez Chérie auf. Mit dem dritten Stück auf der EP, »Is This Our Generation«, haben sie eine Hymne geschrieben, die das Lebensgefühl ihrer Generation auf den Punkt bringt (zugegeben ein Katalogsatz, aber einer der stimmt). Das Gefühl, in den Strudel einer sich selbst überschlagenden Zeit geraten zu sein, umgeben von egoistischen Körperhülsen und wahnsinnigen Hassdemagogen, dieses Gefühl bringen Sparkling auf den Punkt. Dass sie aber nicht nur die Mächtigen für die unhaltbare Gegenwart verantwortlich machen, sondern ihnen klar ist, dass sie selbst Teil einer fatalen Dynamik sind, zeigt wie klar und differenziert sie mit Erkenntnismomenten zündeln. Wenn es da draußen noch mehr Leute gibt wie Leon, Luca und Levin, dann darf man noch hoffen.

 

StadtRevue 40 Jahre Kollektiv!


Sparkling spielen live auf unserer Geburtstagsparty: Sa 24.9., Gebäude 9, 21 Uhr (Einlass 20 Uhr)