Edelweißpiratenfestival

Alles begann 2004 mit einer Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum. Im Zuge der Planungen entstand die Idee, den unangepassten bündischen Jugendlichen ein eigenes musikalisches Projekt zu widmen. Weil: die Musik ist sowohl das markanteste als auch das verbindendste Element der Edelweißpiraten. Ein erstes Buch mit CD und DVD entstand, die Humba-Edelweißpiratentour folgte, eine Art Keimzelle des Festivals, welches dann im Jahre 2005 im Friedenspark Premiere feierte. Jetzt, unmittelbar nach der 12. Ausgabe der herrlich generationsübergreifenden (und nach wie vor kosten-losen!) Veranstaltung auf fünf -Bühnen, gibt es ein chronologisch angelegtes Büchlein mit beige-legter CD und haufenweise Fotomaterial.

 

Nicht jede musikalische Darbietung überzeugt, das liegt in der Natur der Sache. Holpern gehört hier zum guten Ton, die Edelweißpiraten waren selbstverständlich niemals in den Charts. Die Spanne der beteiligten Musiker*innen und Bands reicht von seit Jahrzehnten bekannten Mundart-Profis bis zur Amateurband ohne großartige Bühnenerfahrung. Rolli Brings ragt mit seiner wunderbar zurückgelehnten Kölsch-Country-Version von »Nor en Krat« heraus. Geschrieben hat das Stück Jean »Schang« Jülich, der seine ersten Erfahrungen in der jungen Bonner Republik schildert, Anpassung war auch nach dem Krieg schwierig. Jülich, der vor einigen Jahren verstorbene kölsche Gastronom, Alleinunterhalter und Gerechter-unter-den-Völkern-Preisträger ist es auch, der in einem sehr aufschlussreichen Interview spannende Einblicke in das Leben als Edelweißpirat gibt. Es sei nicht um Organisierung, auch nicht direkt um aktiven Widerstand gegangen, sondern darum, dem Drill des nazideutschen Alltages zu entfliehen. Mit einer gehörigen Portion Fernweh, Wanderungen und Musik. »Wir wollten nicht marschieren. In diesem blöden Nazidrill, der uns nicht lag. Uns Rheinländern sowieso nicht. Dafür sind wir viel zu locker«, so der charmante Dissident. Der allerdings geflissentlich ignoriert, dass es im gesamten Rheinland allenfalls 5.000 Edelweißpiraten gab, die breite Maße also durchaus unlocker genug für die Hinwendung zu den Nazis war oder gemacht wurde.

 

Im Juni ist mit Gertrud »Mucki« Koch die letzte prominente Edelweißpiratin gestorben. Und obwohl das nirgendwo vermerkt werden konnte, ist diese feine Publikation sicherlich und ganz still und heimlich auch und gerade dieser bewundernswerten Zeitzeugin gewidmet.

 

Jan Krauthäuser, Keno Mescher, Betsy de Torres: Edelweißpiratenfestival, Buch und CD, Dabbelju 2016, 19,95 €