»Frauen arbeiten außerhalb des Systems«

Das diesjährige Afrika Film Festival widmet den Regisseurinnen des Kontinents einen Schwerpunkt. Kuratorin Beti Eller­son erklärt die Auswahl

 

Der Schwerpunkt »Sisters in Africa« des diesjährigen Afrika Film Festivals umfasst Filme vom gesamten Kontinent. Was sind die ästhetischen oder thematischen Verbindungen zwischen den Filmen?

 


Wir wollten eine möglichst breite Auswahl von Filmen aus dem ganzen Kontinent, einschließlich der afrikanischen Diaspora. Es ist wichtig, mit dem Schwerpunkt zu betonen, dass das Kino von afrikanischen Frauen nicht monolithisch ist, dass ihre Filme die Vielfalt des Kontinents widerspiegeln. Es gibt Filme in der Auswahl, die sich sehr auf Frauen konzentrieren, während andere eher allgemeiner soziopolitisch sind – bei denen man aber dennoch die Sensibilität der Frau hinter der Kamera spürt.

 

 

Viele Beiträge vor allem aus Nordafrika handeln von den Aufständen vom Anfang des Jahrzehnts. Haben diese Ereignisse einen Einfluss auf die Länder weiter südlich?

 


Der Film »The Revolution Won’t Be Televised« von der Sengalo-Maurianerin Rama Thiaw zeichnet die »Y’en a marre«-Bewegung (»Wir haben es satt«) nach, die zentral dafür war, Senagals Präsidenten Abdoulaye Wade 2011 aus dem Amt zu vertreiben. Der Abschied von Präsident Blaise Campaoré in Burkina Faso im Jahr 2014 kam auch dadurch, dass junge Menschen auf die Straßen gingen. Das Ereignis wurde in den sozialen Medien ausgiebig verfolgt. Vielleicht wird ja auch noch ein Film dazu entstehen.

 

 

In den 1960er Jahren war der »Panafrikanismus« recht weit verbreitet. Gibt es im aktuellen Kino noch Spuren davon? Sehen Frauen aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern gegenseitig ihre Filme?

 


Ich denke, das ist zunehmend der Fall. Vielleicht nicht unter dem Label »Panafrikanismus«, aber ganz sicher im Kontext eines globalen Netzwerks afrikanischer Frauen im Film. Soziale Medien haben in dieser Hinsicht vieles grundlegend verändert. Frauen können ihre Arbeiten jetzt online über Facebook, Twitter, Youtube, Dailymotion und durch Bloggen bewerben. Follower, Freundinnen und Fans können im Vorfeld auf Vorführungen und Ausstrahlungen hingewiesen werden und es dann weitersagen.

 

 

Wie sind diese Filme in Afrika zu sehen? Gibt es einen Markt für diese Filme oder existieren sie nur auf Festivals?

 


Filmfestivals sind ganz sicher eine wichtige Plattform, um Filme zu sehen. Das Festival Fespaco in Ouagadougo in Burkina Faso beispielsweise bezieht das Publikum aktiv mit ein und fördert die Rolle der Zuschauer und Zuschauerinnen. Mehr und mehr Frauenfilmfestivals entstehen, die ein Forum für Arbeiten von Frauen bieten, die sonst nicht zu sehen sind. Initiativen von Kulturzentren sind auf lokaler Ebene extrem wichtig, auch mobile Kinos, die entlegene Gegenden erreichen können. Frauen arbeiten außerhalb des üblichen Verleihsystems und der üblichen Vorführstrategien, um ihr Publikum zu erreichen.

 


Filme von Frauen sind nicht notwendigerweise auch feministische Filme. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen weiblichem Filmemachen und feministischem Film in Afrika beschreiben?

 


Ich glaube, Kino von Frauen wird als Idee oder als Konzept feministisch bleiben, so lange es keine Genderparität in der Gesellschaft gibt — auch wenn nicht alle Filme, die von Frauen gemacht werden, feministische Ideologien oder Agenden widerspiegeln mögen. Man könnte sogar sagen, dass einige Filme von Regisseurinnen stereotype Bilder von Frauen projizieren. Trotzdem: Im Allgemeinen versuchen Filme von Frauen, die Lage von Frauen zu verbessern, weibliche Lebensbedingungen zu thematisieren und sich mit all den Myriaden von sozialen, kulturellen oder politischen Fragen in der Gesellschaft herumzuplagen.

 

Infos: filme-aus-afrika.de

 

 

14. Afrika Film Festival

 

Das Afrika Film Festival gewährt Einblicke in aktuelle Entwicklungen des afrikanischen Kinos und des Kinos der afrikanischen Diaspora. Zum Programm ge-hören 83 Filme aus 25 Ländern, ein umfangreicher Themenschwerpunkt zu Frauen im afrikanischen Kino, ein Special zum Sudan, Filmgespräche, Workshops und Livemusik. Einige Höhepunkte des Programms: Mário Bastos Film »Independência« zeichnet den angolanischen Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft nach. Das Material zu Tamer El Saids »In the Last Days of the City« wurde vor dem Sturz Mubaraks in Ägypten gedreht, in der Montage ergibt sich eine Art Bestandsaufnahme und Positionierung zur Zeit seither. Eine ganze Reihe von Filmen aus Nordafrika zeichnen die Entwicklung seit den Aufständen Anfang der Nuller Jahre nach. Samba Gadjigo hat sich gemeinsam mit Jason Silverman in einem Dokumentarfilm mit einer der Ikonen des afrikanischen Kinos, Ousmane Sembène, auseinandergesetzt. Feriel Ben Mahmoud lässt in »La révo-lution des femmes: Un siècle de feminisme arabe« ein Jahrhundert arabischen Feminismus in Interviews und Archivmaterial Revue passieren.