So sehen Investoren aus: Georg Brombach und Ralf Leppin, Foto: Dörthe Boxberg

Flüchten, bauen, wohnen

Bewohner der Indianersiedlung wollen mit Flüchtlingen Häuser bauen. Der Plan könnte sogar klappen

 

 

 

Die Siedlung am Kalscheurer Weg liegt abgeschieden zwischen Zollstocker Südfriedhof und Bahngleisen. Auf der Pferdekoppel genießen ein paar Halbstarke den Spätsommerabend, und manchmal fährt ein Bulli durch die schmalen Stichstraßen. Tafeln informieren über die nächsten Sitzungen der Siedlungsgenossenschaft. Bauwagenromantik und Gartenzwerge — hier in der sogenannten Indianersiedlung passt das wunderbar zusammen. Wie dieser Ort wohl auf einen neu angekommenen Flüchtling wirkt?

 

Bereits im Jahr 2014 beschloss der Kölner Rat, auf einer Wiese gleich neben der Siedlung Container aufzustellen und darin Flüchtlinge unterzubringen. »Wie erwarten das mit gemischten Gefühlen, aber die Flüchtlinge hätten es hier natürlich viel besser als in Turnhallen«, sagt Georg Brombach aus dem Vorstand der Siedlergenossenschaft. Eigentlich haben er und die anderen Mitglieder aber ganz andere Vorstellungen davon, wie ein gutes Zusammenleben mit Flüchtlingen gelingen könnte.

 

Und die sehen so aus: Gemeinsam mit anerkannten Flüchtlingen wollen sie auf einem Nachbargrundstück 20 Häuser mit 40 bis 50 Wohnungen bauen und dort anschließend auch mit ihnen einziehen. Außerdem sollen ein Haus für altersgerechtes Wohnen sowie ein Quartiersladen entstehen und die jetzt schon als »Dorfanger« genutzte Wiese als sozialer Treffpunkt erhalten bleiben. »Wir wollen unsere Siedlung mit gemischten Wohnformen erweitern, die eine echte Integration ermöglichen«, so Brombach. Die Kleingärten zwischen Dorfanger und Siedlung allerdings müssten dem Projekt weichen. »Das wird natürlich Proteste geben.«  

 

Das angrenzende Grundstück zu bebauen und die Siedlung für altersgerechtes Wohnen zu erweitern, hatten die Siedler schon länger vor. »Viele Alteingesessene wollen ihre Häuser im Alter den Kindern und Enkeln übergeben, aber trotzdem gerne in der Nähe wohnen bleiben«, so Brombach. Nun, da so viele Flüchtlinge in Köln eine Unterkunft suchen, dehnt die Siedlung ihr Projekt ganz einfach auf eine neue Zielgruppe aus. 

 

Und wo könnte es besser klappen als hier? Die Indianersiedlung entstand in den 20er Jahren, als die Stadt Arbeitslosen und kinderreichen Familien Grundstücke zur Verfügung stellte, nach dem Krieg kamen auch Flüchtlinge hinzu. Bis in die 70er Jahre baute jeder gemäß seinen Mitteln und Vorstellungen vom guten Wohnen, mitunter frei von jeden Auflagen. Auch heute noch findet hier manch mittelloser Student ein Plätzchen im Bauwagen. Im Jahr 2001 dann gründeten die Siedler eine Genossenschaft und kauften der Bahn das Grundstück ab. »Das hat uns damals um die 3,5 Millionen Euro gekostet«, so Brombach. Das Neubauprojekt würde um einiges teurer, es wäre mit Abstand die größte Investition in der Geschichte der Siedler. 

 

Doch ihnen steht ein erfahrener Architekt zur Seite. Bodo Marciniak, aus dessen Feder die Pläne stammen, hat bereits ein ähnlich erstaunliches Projekt in Köln zum Erfolg geführt. Unter dem Namen »Bauen, Wohnen, Arbeiten« baute er in Ossendorf über einen Zeitraum von zehn Jahren bis 2006 mit Obdachlosen zwei Häuser mit 46 Wohnungen für 120 Menschen um. So lange dürfte es mit den Flüchtlingen allerdings nicht dauern. »Auch hier sollen die späteren Bewohner so viel wie möglich selber machen«, so Marciniak. 70 bis 80 Prozent Eigenleistung beim Bau hält er für realistisch. Währenddessen könnten die Flüchtlinge bereits im Bauwagen in der Siedlung wohnen und Kontakte mit den Siedlern knüpfen. »Der Aufwand an sozialer Betreuung wird aber dennoch hoch sein, das sind ja oft schwer traumatisierte Menschen«, so Marciniak.

 

Eine mindestens ebenso hohe Hürde müssen die Siedler überwinden, um das Grundstück überhaupt kaufen zu können. Derzeit ist es im Besitz der Stadt. Müssten die Siedler mit der freien Bauwirtschaft konkurrieren, hätten sie kaum eine Chance. Brombach klagt, das Liegenschaftsamt gewähre ihnen keinen Termin, um ihre Pläne vorzustellen, wohingegen ein großer Projektentwickler bereits mit einer Machbarkeitsstudie für das Grundstück beauftragt worden sei. 

 

Doch vielleicht spielt den Siedlern eine aktuelle Ratsvorlage in die Hände, die auch von Oberbürgermeisterin Henriette Reker unterstützt wird: Darin schlägt die Verwaltung vor, städtische Grundstücke ab einer gewissen Größe nicht mehr an den Höchstbietenden, sondern nach »Konzeptqualität« zu vergeben. Aussicht auf Erfolg hätten demnach Konzepte, die bezahlbaren Wohnraum schaffen, Flüchtlinge, Studenten oder Baugruppen unterstützen oder altersgerechtes oder energiesparendes Wohnen ermöglichen. Vorbild sind die Städte Hamburg, Stuttgart und München, wo sich ähnliche Ansätze zur Vergabe städtischer Grundstücke bewährt haben.

 

»Das Projekt der Siedler wäre ein Idealbeispiel dafür«, sagt die Fraktionsvorsitzende der Kölner Grünen, Kirsten Jahn. Ihre Fraktion unterstütze den Plan und sei im Gespräch mit dem Liegenschaftsamt. »Das ist keine x-beliebige Idee, auf die jemand ein Flüchtlings-etikett draufgepappt hat«, so Jahn. »Es wäre ein Beispiel für echte Integration durch Arbeit und Leistung.«