Diesjährige Trägerin des Filmpreis Köln: Claire Denis

Claire Denis

Die Regisseurin Claire Denis erhält dieses Jahr den Filmpreis Köln. Die Film Cologne widmet ihr deshalb eine Retrospektive

»Nichts wird sich verändern«, sagt Lionel; »alles wird sich verändern«, entgegnet seine Tochter Josephine. Claire Denis’ »35 Rhums« lässt beide Haltungen seiner Hauptfiguren gelten, aber insgeheim dürfte sich die Regisseurin doch auf die Seite der jungen Frau schlagen: In den Filmen der Französin gibt es keine Sicherheiten, und letzten Endes ist jeder unbehaust. Wieder und wieder geht es in ihnen um Außenseiter, Eindringlinge, den Eindruck von und den Umgang mit Fremdheit. Freilich sind die kurzen Momente zwischenmenschlicher Wärme gerade deshalb umso wichtiger.


»35 Rhums«, einer ihrer schönsten Filme, besteht fast nur aus solchen Momenten: In atmosphärischen, entspannt rhythmisierten, fast komplett entdramatisierten Bildern entfaltet sich der Alltag einer Handvoll Menschen in der Pariser Vorstadt. Verwandtschaftliche Beziehungen sind dabei weit weniger wichtig als die sehnsüchtigen Blicke, die kurzen, intimen Wortwechsel, die flüchtigen Gesten der Zärtlichkeit, die die Figuren ihrer kalten, feindseligen Umwelt abringen.

 

Am 14. Oktober wird Claire Denis im Rahmen des Film Festival Cologne den diesjährigen Filmpreis Köln erhalten. Geehrt wird damit eines der eigensinnigsten, faszinierendsten Werke des europäischen Gegenwartskinos. Gemeinsam mit langjährigen Kollaborateuren wie ihrem Lieblingsschauspieler Alex Decas, der Kamerafrau Agnes Godard und der Band Tindersticks, die ihre Filme nicht mit klassischen Soundtracks, sondern mit hypnotischen Klangteppichen versieht, hat Denis einen unverwechselbaren Stil erschaffen, dem sinnliche Intensität stets wichtiger als Narration, körperliche Einfühlung wichtiger als Figurenpsychologie ist.

 

Die zugehörige Retrospektive präsentiert zu diesem Anlass sechs Filme, in denen sich das ganze Spektrum des Werks entfaltet. Die politischen Konflikte und phantasmatischen, psychosexuellen Abgründe, die in »35 Rhums« weitgehend implizit bleiben, brechen in anderen Arbeiten brutal auf. Ganz besonders blutig tun sie das in »White Material«, einer apokalyptischen Variation ihres Erstlings »Chocolat«. In beiden geht es, autobiografisch inspiriert, um weiße Familien in Afrika. Noch finsterer ist nur ihr jüngster Film »Les salauds«, in dem der Mensch dem Menschen endgültig ein Saukerl geworden ist.

 

 

Sa 8.10.–Do 13.10., Filmpalette, Infos: filmfestival.cologne