Der Mann, der nicht wählen konnte

In Biografie: Ein Spiel inszeniert Sandra ­Reitmayer die Lächerlichkeit des freien Willens

 

Wie schön wäre es, an der eigenen Biografie herumbasteln zu können. In der eigenen Erinnerung vollführt man nur zu gerne Verschönerungsarbeiten an der persönlichen Vita, aber bei Max Frisch wird es in »Biografie: Ein Spiel« zum konkreten Experiment. Dass man dabei in der eigenen Identität verfangen bleibt, macht die Spielanordnung zur tragikomischen Sisyphus-Strampelei. Regisseurin Sandra Reitmayer hat den Ort des Geschehens in den Zirkus verlagert.

 

Hier, wo die Gesetze des Alltags außer Kraft gesetzt werden können, wo eine Parallelwelt uns das Leben als akrobatisches Spiel mit dem Scheitern präsentiert, betritt Herr Kürmann (Marc Fischer) die Bühne. Dem Professor der Verhaltensforschung wird an der Schwelle zum fünfzigsten Lebensjahr die Möglichkeit gewährt, seine Biografie umzubauen. Zwei Spielleiter (Caroline Wolf und Tobias van Dicken) begleiten Kürmann bei dem Versuch, sich eine neue Biografie zu imaginieren. Hilfe tut not, denn schon bei den Erinnerungen an sein Leben, gerät Kürmann ins Stocken. An einige der Stationen seines Lebens möchte Kürmann ungern zurückdenken. Wie war das mit seiner ersten Frau Brigitte, die er in eine unglückliche Ehe und dann in den Selbstmord getrieben hatte? Kürmann wiegelt ab »Ich habe mich an meine Schuld gewöhnt« und wendet sich lieber dem Zeitpunkt in seinem Leben zu, an dem er Antoinette Stein (Sabine Wolf), seine zweite Ehefrau kennengelernt hat. Eine für ihn fatal verlaufene Ehe, die er gerne ungeschehen machen möchte. Doch seine Versuche, jenen Abend des Kennenlernens durch pure Willenskraft neu zu entwerfen, scheitern kläglich.

 

Sandra Reitmayer hat dafür die Bühne (Silvie Naunheim) mit Manegen-Elementen bestücken lassen, die gleichzeitig an eine Uhr erinnern, die ständig wieder zurückgedreht wird und Marc Fischer und Sabine Wolf in die Ausgangsposition des Abends der ersten Begegnung bringen. Sie spielt die Antoinette als unnahbare Verführerin, die lange mit einem ironischen Lächeln das männliche Dominanzgebaren aushält, bis sie am Ende ganz plötzlich und entschieden das Heft des Handelns in die Hand nimmt. Marc Fischer wird derweil immer mehr zum tragischen Typus eines lächerlichen Mannes, dessen anfängliche Forschheit zunehmend von Verzagtheit und Resignation abgelöst wird. Das Geschehen gerät aber nie zum deterministischen Drama, sondern bekommt durch die schiere Spielfreude der Akteure, die alle vier fulminant ständig ihre Rollen variieren, einen entwaffnend komischen Tonfall. 

 

 

»Biografie: Ein Spiel«, A. Max Frisch,
R: Sandra Reitmeyer, 11., 15., 22., 28., 29.10., Theater der Keller, 20 Uhr