Bremsklotz des Porzer Aufschwungs? — Dechant-Scheben-Haus an der Kirche St. Josef | Foto: Manfred Wegener

Protzen, nicht meckern

Die Porzer Innenstadt wird umgebaut. Jetzt wehren sich Bürger gegen die Bevormundung

 

Los geht’s! Aber in welche Richtung? Egal. Hauptsache, schnell und ohne zu streiten — das ist, kurz gefasst, die Chronik der ehemaligen Stadt Porz seit dem 9. März 2015, jenem Tag, an dem die städtische Entwicklungsgesellschaft Moderne Stadt eine Machbarkeitsstudie vorlegte, um das darbende Bezirkszentrum Porz zu »revitalisieren«.

 

Ein damals bereits sechs Jahre leerstehendes Hertie-Warenhaus, für das sich kein Investor mehr fand, hatte die Stadt zuvor gekauft. Der Klotz soll durch drei neue Gebäude mit Einzelhandel und einigen Wohnungen ersetzt werden. »Stadt-Center« heißt dieses »Handelsformat«, das den Konsum auf mehrere Gebäude verteilt. Dafür wird der Friedrich-Ebert-Platz, einst der Marktplatz, zugebaut.

 

Viele Porzer jubelten. Das Warenhaus ist zum Symbol des Niedergangs geworden. SPD-Chef und OB-Kandidat Jochen Ott posierte im Wahlkampf auf einem Abrissbagger. Was nach dem Abriss kommt, war den Porzern bislang weniger wichtig. Doch das ändert sich gerade.

 

»Na ja, schlimmer kann es ja auch nicht mehr kommen«, sagt Karl-Heinz Tillmann. Der Parteifreund von Jochen Ott ist neuer Vorsitzender des Bürgerbündnisses »Porz-Mitte jetzt anpacken«. Viel Arbeit, 300 Mitglieder. Viel lokale Kompetenz, aber auch viele Eigeninteressen. Und dann immer wieder »Parteiengezänk«, das von außen die Arbeit behindere.

 

Die Idee für das Bündnis stammt von Ott, der hier seinen Landtagswahlkreis hat. Neun Vertreter von Handel, Bildung, Kirche und Karneval brachte der SPD-Politiker im Februar zusammen. CDU und Grüne blicken darauf argwöhnisch. Um ein Geschmäckle zu vermeiden, hatte das Bündnis CDU-Mitglied Reinhard Vogt an die Spitze gewählt. Doch der bekannte Hochwasser-Experte schmiss im September hin. Ihm habe das politische Gespür gefehlt, sagen manche. Kritikern fuhr Vogt auf einer Versammlung über den Mund: Porz benötige Einigkeit. Er wolle nach vorne rudern, alle Porzer säßen im selben Boot. Aber wer gibt die Richtung vor?

 

Migranten, Jugendliche, arme Menschen, von denen rund um das marode Warenhaus viele wohnen, sind in die Debatten kaum eingebunden. Karl-Heinz Tillmann hofft auf das »Integrierte Handlungskonzept«, das mit NRW Urban, der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft, das die gesamte Porzer City und ihre Pro­bleme in den Blick nimmt. Doch Mitte September kommt es in der Porzer Bezirksvertretung zum Eklat, als es um die Besetzung des Beirats für das Konzept geht: Die SPD will auf politische Vertreter verzichten, außerdem sei das Bürgerbündnis schon wie ein Beirat. CDU und Grüne überstimmen die SPD, sie fühlen sich im Bürgerbündnis nicht repräsentiert. Viele im Bündnis werten das als Affront, sie wollen ihre Vorschläge allein vorbereiten — die Politik entscheidet ohnehin am Ende.

 

Die mangelhafte Bürgerbetei­ligung kritisiert auch Tshikudi Londji von der »Jugendhilfe Afrika 2000«, die sozial schwache Migranten unterstützt. Moderne Stadt besitze keine sozialen und kulturellen Kompetenzen, sagt er. »Eine Einkaufscity, das ist ein veraltetes Modell. Wir brauchen Marktplätze, Orte der Begegnung, wo auch Platz für Soziales und Kultur ist.« Durch die neue Be­bauung gehe der alte Marktplatz verloren.

 

»Wir müssen einen Frequenzbringer als Auftaktansiedlung haben«, sagt Andreas Röhrig, Geschäftsführer von Moderne Stadt. Das könne nur ein Vollsortimenter sein. »Und die benötigten heute meist 2000 Quadratmeter.« Der alte Hertie hat Menschen aus Wahn und Zündorf, aus Westhoven und Urbach angezogen — das übliche Supermarktprogramm aber bekommen sie auch in ihrem Veedel.    

 

Es gibt noch mehr Kritikpunkte. Jochen Reichel, der sich dem Bürgerbündnis angeschlossen hat, sagt, anfangs habe Moderne Stadt behauptet, der Abriss des katholischen Gemeindezentrums Dechant-Scheben-Haus am Marktplatz, sei nötig für die neue Bebauung. Doch nach anderthalb Jahren ist keine Einigung mit der Kirche erzielt worden. Wie auch? Das Dechant-Scheben-Haus, direkt an die Kirche St. Josef am Marktplatz angebaut, bietet Vereinen einen Saal, zudem ein Seniorencafé und soziale Angebote. Warum sollte man die gegen eine ungewisse Zukunft in einem Neubau eintauschen?

 

Bleibe das Dechant-Scheben-Hauses aber stehen, dann werde es zu eng auf dem Platz, so Reichel. Der zentrale Marktplatz, den die Machbarkeitsstudie verspricht, beruhe ohnehin schon auf Render­ings, die mit perspektivischen Verzerrungen mehr Freiraum vortäuschten. So sehen es auch viele Porzer Vereine, die sich mehr Platz für Feste und Konzerte wünschen.

 

Andreas Röhrig von Moderne Stadt beruft sich auf eine ein Jahr alte Passantenbefragung. Laut dieser ist »Einkaufen das Hauptmotiv zum Besuch der Porzer Innenstadt«, und Freizeit, Sport und Kultur spielten kaum eine Rolle. Wie auch, wenn es kaum Angebote gibt? Es scheint, als interpretierte Moderne Stadt den Status quo als Auftrag für die Zukunft.