Das Licht wird doch nicht ausgehen: Light In Babylon über den Dächern Istanbuls

Spirit der Bewegung

Das Festival »Gezi Soul« rückt mit Politik und Musik der aktuellen Situation in der Türkei zuleibe

Nach den Ereignissen dieses Sommers spitzt sich die Lage in der Türkei immer weiter zu. Nach dem Putschversuch präsentiert sich Erdogan stärker denn je, das Land wirkt paralysiert. Unzählige Verhaftungen und Entlassungen, Tränengas und Wasserwerfer gegen aufflammende Proteste bzw. Verbote von Demonstrationen, das Gewährenlassen von islamistischen und nationalistischen Bürgerwehren — all das hat die türkische Zivilgesellschaft eingeschüchtert und macht einen lagerübergreifenden Protest, wie er noch im Sommer 2013 auf dem Taksim-Platz geschah, zur Zeit unwahrscheinlich.

 

In Köln, der Partnerstadt Istanbuls, findet seit 2013 das Gezi-Soul-Festival statt, um den Spirit der Bewegung aufrechtzuerhalten und Solidarität einzufordern. Aber auch, um die verwirrende politische Gemengelage überhaupt erst aus mitteleuropäischer Perspektive zu verstehen. Das Festival hat hierzu Aktivisten zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Mit dabei ist Emre Kongar, Kolumnist der Ende Oktober von einer weiteren Verhaftungswelle erschütterten Tageszeitung Cumhuriyet. Kongar ist zudem Professor der Sozialwissenschaften und Autor zahlreicher Bücher u.a. über den politischen Islam. Er warnt vor einem neo-osmanischen Regime. Außerdem zu Gast: Türker Ertürk. Ertürk ist ein aus Protest zurückgetretener Admiral der türkischen Marine, er äußert sich bereits seit Jahren kritisch gegenüber der AKP-Regierung. Am 31. Mai 2014, dem Jahrestag der Gezi-Proteste, bezeichnete er Erdogan auf einer Demonstration als »faschistischen Diktator«, im Februar 2015 wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Er wurde zu elf Monaten und zwanzig Tagen verurteilt, die Strafe aber in eine sofort zu bezahlende Geldstrafe von 10.500 Lira (ca. 3200 €) umgewandelt.

 

Gezi Soul ist und bleibt aber auch ein Musik-Festival: Kent Coda etwa machen türkischsprachigen Indiefolkpop, mit einem Cover von Wandas »Bologna« sorgte man zuletzt für Aufsehen. Außerdem treten auf die Folkloreband Light In Babylon und das Electronica-Duo Gras, beide aus Istanbul. Abschließend wird der Streetworker Sascha Bisley aus dem Buch »Von der Diktatur zur Demokratie — ein Leitfaden für die Befreiung« von Gene Sharp lesen. Sharp gilt als einer der Vordenker des gewaltfreien Protestes.

 

»Gezi-Soul 2016«, 2. Köln-Istanbul-Festival

1.-3.12. Artheater, Nachtigall Bar, Yuca

Programm unter gezi-soul.de